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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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Anfang startete sie auch voll durch, aber das ließ sehr bald nach, wie es aussah.«
    Er ist ein hochintelligenter Mann und scheint doch fast unfähig zu sein, die Punkte miteinander zu verbinden, die sicherlich Sallys Lebensgeschichte erzählen. Und tatsächlich, so schrecklich es ist, war das ihre Lebensgeschichte.
    »Hat sich denn hinsichtlich der finanziellen Situation etwas Positives getan?«
    Sein Blick verrät mir das genaue Gegenteil.
    »Wenn es hart auf hart kommt, wird mein Vater mich sicherlich unterstützen. Es ist nur …«
    »Was?«
    »Ich komme mir fast wie ein Verräter vor, das zu sagen.«
    »Du kannst es sagen«, versichere ich ihm.
    »Meine Eltern waren mit dieser Ehe von Anfang an nicht einverstanden«, erzählt er leise. »Natürlich hätten sie ihr das nie direkt ins Gesicht gesagt, aber sie war zu klug, um es nicht zu merken. Gewissermaßen gaben sie ihr die Schuld an unserem Zerwürfnis. Was ich in meiner Trauerrede sagte, war vielleicht eine geringfügige Neuinterpretation der Ereignisse.«
    Und wieder macht er sich daran, die Wahrheit überzeugend zu rekonstruieren.
    »Wie das?«
    »Sie drängte unheimlich darauf zu heiraten. Jedes Mal wenn wir wieder zu einer Hochzeit eingeladen waren, flossen Tränen. Doch inzwischen waren meine Eltern ganz versessen darauf, dass wir nicht heirateten.«
    »Warum?«
    »Sie konnten nicht erkennen, was sie in die Ehe mitzubringen hatte«, sagt er, und sein Gesicht liefert mir die Übersetzung für ihr schreckliches, snobistisches Urteil. Ich hatte gehofft, dahinter stünde etwas Harmloseres wie etwa die verständliche elterliche Sorge, ob Sally ihn auch gut behandeln würde, aber vermutet hatte ich es. Und ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich daraufhin rüstete und in den Kampf zog.
    »Und was wolltest du?«
    »Ich liebte sie, aber mir war klar, dass es niemals leicht sein würde.« Er lächelt mich an, doch sein Blick geht an mir vorbei ins Leere. »Ich wusste allerdings auch, dass es nie langweilig sein würde.«
    »Das war es bestimmt nicht.«
    »Nein«, sagt er. »Und ich denke, sie wusste es zu schätzen.« Er hält inne. »Lass es mich relativieren. Meistens hat sie es wohl auf die für sie typische Art geschätzt. Aber genug geredet.« Er kommt um den Tisch herum und beugt sich über mich, um mich zu küssen. Das ist der Augenblick für meinen würdevollen Abgang, doch ich habe nicht die Kraft dazu. »Wir reden scheinbar immer nur über meine Probleme. Lass uns den Wein mit nach nebenan nehmen, dann kannst zur Abwechslung du mir mal was erzählen.«
    Als ich aufstehe, greift er nach mir, hält mich fest und vergräbt sein Gesicht an meinem Hals. »Ich danke dir«, flüstert er, und ich ziehe ihn an mich heran – es überrascht mich noch immer, wie natürlich sich das anfühlt. Beim Küssen merke ich, dass ich ein wenig beschwipst bin – ich hatte gar nicht mitbekommen, wie oft er mir nachgeschenkt hat. Ich suche Halt am Tisch, und er schmiegt sich eng an mich, sein Griff wird fester, und seine Finger gleiten in den V-Ausschnitt meines Pullovers. Einen flüchtigen Moment lang denke ich an Madeline und ihre raschen Stimmungswechsel: Ich bin mir nicht sicher, ob ich auf Knopfdruck anders gelaunt sein kann, wie sie das offenbar können. Ich lasse zu, dass er mir den Pullover über den Kopf zieht. Mit der Befürchtung, damit einer Enttäuschung Vorschub zu leisten, hatte ich etwas Hübsches aus cremefarbener Spitze angezogen, aber als ich jetzt im harten Licht des Küchenherds stehe, bin ich dankbar für meine Weitsicht. Das ist lächerlich.
    »Bist du okay?«, frage ich, doch es ist, als würde er mich nicht hören, während seine flinken Finger den seitlichen Reißverschluss meines Rocks suchen und Leidenschaft und Unsicherheit sich um meine Aufmerksamkeit streiten. Es ist ohne Frage schmeichelhaft, aber dennoch auch zutiefst verstörend. Ich möchte ihn nicht an die Erregung verlieren; er soll spüren, dass er noch immer hier bei mir ist, bei Livvy, und sich nicht nur abreagiert, um ein Grundbedürfnis zu befriedigen, bei dem mir nur die Rolle eines Komparsen zukommt. »William«, sage ich ein wenig schärfer als beabsichtigt. Er tritt einen Schritt zurück.
    »Entschuldige«, sagt er und spielt mit meinen Haaren. »Deine Schönheit lenkt mich einfach ab.« Schön bin ich übrigens wirklich nicht, doch ich fordere jeden heraus, dessen Herz bei einer derartigen Behauptung nicht dahinschmilzt. Und mit einem Lächeln gebe ich jeden Widerstand auf.

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