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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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Mittlerweile beobachtet uns auch Sallys Bruder und lässt seine unnachgiebigen Blicke zwischen uns hin und her wandern. Auch William bemerkt das und zuckt sichtlich zusammen. Mit gesenkter Stimme, doch für mich gut hörbar, sagt er: »Außerdem gibt es darüber nicht viel zu sagen.«
    Ich wende mich ab und richte meine Augen auf die Tür.
    »Olivia …«, ruft er, versucht aber nicht, mich tatsächlich zurückzuhalten.
    Lola hält mich fest, als ich mir verzweifelt meinen Weg bahne, und ihre Finger graben sich tief in meinen Arm.
    »Du bist unmöglich«, knurrt sie mit hektischen Flecken auf ihren Wangen. »Hoffentlich kannst du heute Nacht schlafen.«
    »Ich weiß, welchen Anschein es erweckt«, versuche ich mich zu rechtfertigen, »aber es … es ist einfach passiert.« Es lässt sich unmöglich erklären, was so zart ist, wird zu etwas Hartherzigem und Brutalem, sobald es in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Ich werfe einen Blick zurück auf William, der jetzt in ein heftiges Gespräch mit seinem Vater verwickelt zu sein scheint. »Es war nicht gegen Sally gerichtet.«
    »Unsinn. Du musstest dich revanchieren, nicht wahr? Es war richtig von ihr, dich abzuservieren, aber es war immer nur die arme kleine Livvy, die kein Wässerchen trüben konnte. Alles, was sie über dich gesagt hat, entsprach der Wahrheit.«
    Davon erholt man sich nicht mehr – das ist der ultimative Verrat. Wer wüsste das besser als ich.
    »Was soll das heißen?«
    »Die Art, wie du sie dazu gebracht hast, im zweiten Jahr in diese Wohnung zu ziehen. Indem du sie anflehtest, sie zu nehmen.«
    »Sie war doch diejenige, die sie gefunden hat!«
    »Das hast du damals aber nicht gesagt …«
    »Nein, weil sie meinte, wir könnten es dir nicht sagen.«
    Lola sieht mich mit einem Ausdruck voller Abscheu an. Ich habe nicht nur versucht, heimlich Sallys Ehemann zu stehlen, sondern ich ziehe auch ihr Andenken in den Schmutz. Als einer von Lolas Söhnen auftaucht, nutze ich die Gelegenheit und laufe davon.
    »Wenn sie dich hier sehen könnte, würde sie sich im Grab umdrehen.«
    Jules sitzt im Auto und telefoniert mit Phil. Tränenüberströmt setze ich mich auf den Beifahrersitz. Ich schluchze so heftig, dass ich kaum sprechen kann.
    »Wir müssen sofort losfahren.«
    »Kleines, erzähl mir, was passiert ist!«
    »Ganz im Ernst, Jules, lass uns einfach fahren.«
    »Warte, Livvy …«
    William kommt mit zerzaustem Haar auf uns zugerannt. Ich lehne mich aus dem Wagen.
    »Gib dir keine Mühe.« Allein sein Anblick lässt mich erschaudern, so wütend bin ich auf ihn.
    »Ich kann mich gar nicht genug entschuldigen.«
    »Das stimmt, das kannst du nicht. Also lass es sein …« Mir versagt die Stimme, erstickt von einem schluckaufartigen Schluchzen. »Gib dir keine Mühe.«
    »Steig aus und sprich mit ihm, Livvy«, fordert Jules mich auf.
    »Olivia …«
    So hätte er mich nicht nennen sollen. Wie konnte er mich nur so beleidigen? Ich steige aus dem Wagen.
    »Ich bin Livvy. Wir haben miteinander geschlafen, falls dir das entgangen sein sollte. Was war es für dich, ein Ausweinen an meiner Schulter, das ein bisschen zu weit gegangen ist?«
    »Natürlich nicht.«
    »Aber so empfinde ich es.« Ich sehe in sein hilfloses Gesicht, das noch mehr vom Schmerz gezeichnet ist als sonst – was hatte ich erwartet? »Es ist mein eigener blöder Fehler«, sage ich. »Ich hätte nicht …« Ich bremse mich gerade noch rechtzeitig, um mich nicht noch mehr zu demütigen, als ich das bereits getan habe.
    »Was hättest du nicht?«, hakt er nach. Seine Hand bewegt sich fast auf mich zu, aber dann behält er sie doch bei sich, während sein Blick unwillkürlich zum Pub abschweift.
    »Ich hätte keine Gefühle für dich haben dürfen«, sage ich und wähle meine Worte mit Bedacht.
    »Bitte glaube nicht, dass ich nicht auch Gefühle für dich habe.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dir glauben soll.« Ich sollte auf dem Absatz kehrtmachen, aber meine Beine gehorchen mir nicht ganz – wenn ich erst mal gegangen bin, wird es tatsächlich vorbei sein, das ganze Zwischenspiel nur noch Erinnerung –, und doch weiß ich, dass das Leben sich dagegen sträuben wird, einfach zur Tagesordnung überzugehen. So etwas wie Normalität gibt es sowieso nicht mehr. »Denn wenn es so wäre, hättest du dich da drinnen vor mich gestellt.«
    »Es tut mir unendlich leid, dass ich dich derart im Stich gelassen habe«, sagt er, und sein ganzer Körper sackt unter diesem Gewicht zusammen. »Bei allem, was du

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