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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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Lunchbox.«
    Mein Gott, kann er denn gar nicht locker sein? Mein Blick wandert unwillkürlich zurück zu Sallys Foto: Wie fand sie mit ihm die Balance, die jede glückliche Ehe braucht – diese stillschweigende, unbewusste Übereinstimmung, die einen zusammenschweißt? Ich reiche ihm mein Glas.
    »Nur noch einen Tropfen, mich haut es leicht um.«
    »In etwa fünfzehn Minuten wird man uns das Abendessen servieren. Ich habe Lamm bestellt, was hoffentlich deine Zustimmung findet.«
    »Es wird sicher köstlich sein.«
    Wir gehen zum Sofa, auf dem ich linkisch Platz nehme, die Finger an der glatten Kühle des Glases.
    »Kommst du direkt von der Arbeit?«, erkundigt sich William. Er sagt dies mit einem Lächeln, aber ich sehe das nervöse Zucken an seiner Schläfe.
    »Nein, ich war vorher noch zu Hause. Ich lebe mit James zusammen, ich glaube nicht, dass du ihm begegnet bist. Er hat mich begleitet.«
    »Das tut mir leid, ich hätte dich fragen sollen, ob du deinen Partner nicht mitbringen möchtest. Seid ihr verheiratet?«
    »O nein, wir sind … wir wohnen nur zusammen. Er kannte Sally auch.« Röte schießt in meine Wangen, weil ich spüre, wie viel hier ungesagt in der Schwebe bleibt: Über unsere Freundschaft weiß William nicht die ganze Wahrheit. Aus Verlegenheit versuche ich das Thema zu wechseln. »Weißt du schon, wie lange ihr hierbleiben werdet?«
    »Eine Woche, vielleicht auch zwei. Ich kann nicht endlos meine Arbeit vernachlässigen, und Madeline muss wieder in die Schule.«
    Er spricht laut und deutlich, seine Worte sind abgehackt, bar jeglicher Emotion. Entsetzt von seinem brutalen Pragmatismus, sehe ich ihn an. Ist es Kälte oder Selbstschutz? Meine Augen kehren zu Sallys Foto auf dem Kaminsims zurück, und ich habe das Gefühl, zum Gedenken an sie meine Meinung zu sagen.
    »Es wird doch wohl keiner von dir erwarten, dass du gleich wieder zur Tagesordnung übergehst?« Sein Kinn verhärtet sich, und seine Augen sind plötzlich kalt. Offenbar hat er die Schärfe in meinem Ton wahrgenommen, die ich gar nicht zulassen wollte. »Was arbeitest du überhaupt?«, schiebe ich rasch nach.
    »Ich lege anderen Leuten Worte in den Mund.« Ich sehe ihn verdutzt an. »Entschuldige, das ist zu unverständlich. Ich bin Diplomat, ein Redenschreiber. Ich pendele zwischen New York und Washington.«
    Wir werden unterbrochen, weil das Essen gebracht wird. Ein livrierter Mann vom Zimmerservice deckt mit viel Trara den Esstisch mit einem Tischtuch und schwerem Silberbesteck. »Besten Dank«, sagt William und drückt ihm zehn Dollar Trinkgeld in die Hand, ehe er einen der verschnörkelten Stühle herauszieht, damit ich Platz nehmen kann. »Sollen wir zum Rotwein übergehen?«
    »Ja, lass uns das tun«, antworte ich. Mir fällt es schwer, mich zurückzuhalten, doch ich muss versuchen, die guten Manieren hinter mir zu lassen und Nähe zu ihm aufzubauen. Vermutlich ist es das letzte Mal, dass wir einander sehen, und obwohl ich seine Erinnerung an Sally nicht beschädigen möchte, scheint es plötzlich ganz wichtig zu sein, dass wir einander etwas von uns selbst offenbaren. »Ich weiß kaum, was ich sagen soll, William – alles, was mir in den Sinn kommt, klingt so abgedroschen, so trivial …«
    Die Worte sind freundlich gemeint, aber ich denke, er entnimmt meiner Stimme etwas anderes, fast einen Hilfeschrei. Er scheint sich ein wenig zu lockern, obwohl er seine Serviette so fest um seine Hand wickelt, als wäre es ein Druckverband, unter dem seine Knöchel weiß werden.
    »Ich schaffe es offenbar auch nicht, meine Fassungslosigkeit zu überwinden«, sagt er. »Ich reise so viel – ständig rechne ich damit, Sally über den Weg zu laufen, als würde sie jede Minute durch die Tür kommen und mir sagen, wie hässlich mein Hemd ist.« Dabei wendet er seinen Blick ab.
    »Du stehst sicherlich noch unter Schock.« Er schaut mir voll ins Gesicht, und sein Ausdruck zeigt eine solche Blöße, wie ich das noch nie gesehen habe. Das treibt mich an. »Ich möchte nicht neugierig sein …« Ich forsche in seinem Gesicht, ob ich womöglich zu weit gegangen bin, »aber Lola sagte mir, dass es einige Fragen gibt …«
    »Die gibt es«, fällt er mir ins Wort und setzt mit seinem Ton einen Punkt. Totenstille – ich trinke einen Schluck Wein, um mich abzulenken. Er schmeckt fantastisch, aromatisch und komplex – er schmeckt nach Geld. William stößt überraschend mit mir an.
    »Ich möchte dir dafür danken, Olivia, dass du heute Abend den Weg

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