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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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freundlicher, dass ich mich fast frage, ob James nicht recht hatte. Keiner von uns hat sie seitdem erwähnt, und ich habe ihm auch nicht die Genugtuung gegeben, es ihm zu sagen. Außerdem möchte ich dieses Thema eigentlich nicht mehr anschneiden, denn was dadurch ausgelöst wurde, gefiel mir nicht.
    »Und der andere Wettbewerb?«
    »Habe ich dir davon erzählt?«, sage ich und werde vor Verlegenheit rot. Mir fällt auf, dass er sich unzählige Fakten und Details gemerkt hat, von denen ich gar nicht mehr weiß, dass ich sie beiläufig erwähnt habe. Ich habe die Kurzgeschichte an einem einsamen Sonntag noch mal durchgelesen, als meine Trauer um Sally besonders stark war. Vielleicht lag es an meiner Stimmung, aber ich fand meinen Text viel zu strukturiert und konstruiert, ohne Tiefgang. Ich versuchte es noch mal und brachte alle in mir herumwirbelnden Gefühle zu Papier und schickte das Ding los, bevor ich Zeit fand, es mir anders zu überlegen.
    »Gut gemacht«, lobt er mich, als ich es ihm erzähle. »Wenn es nur annähernd so vollendet ist wie das Gedicht, das du für Madeline geschrieben hast, wirst du sicher von dir selbst überrascht sein.«
    »Danke«, sage ich gerührt von seinen Worten. Er scheint sie ernst zu meinen.
    »Entschuldigst du mich bitte für eine Minute?«
    Während William die Toiletten ansteuert, drehe ich mich zur anderen Seite, wo ein freundlicher adeliger Staatsdiener namens Jasper sitzt, mit dem ich schon eine Weile geplaudert habe. Vielleicht habe ich die hier Versammelten doch etwas zu harsch beurteilt, denn er stellt interessierte Fragen und erlaubt mir genügend Einblicke in die Welt von 10 Downing, wo der Premierminister wohnt, um mein Interesse anzustacheln, wobei er echte Enthüllungen jedoch geschickt zu vermeiden versteht. William ist in den Bankettsaal zurückgekehrt, unterhält sich aber mit einer Gruppe an einem anderen Tisch.
    »Und woher kennen Sie sich?«, will Jasper wissen und nickt in seine Richtung.
    »Seine Frau war meine beste Freundin auf der Universität.«
    »Und darüber hinaus?«
    Ich lächele und sage nichts.
    »Eine fürchterliche Sache. Ich vermute, es gibt noch einige offene Fragen zu den Umständen?«
    Ich nicke und hoffe, dass mein Gesicht nicht verrät, wie viel ich tatsächlich weiß.
    »Offen gestanden, überrascht es mich in Anbetracht der Entwicklungen, dass er hierbleiben kann.«
    Ich beiße mir auf die Zunge, entschlossen, nichts auszuplaudern. Ich werde mit dir nicht darüber sprechen, sage ich mir und grabe meine Fingernägel in meine Handfläche, um den Tränen keine Chance zu geben, die mir in den Augen brennen. Wenn William doch nur zurückkommen würde.
    Als er kurz darauf wieder Platz nimmt, ertappe ich mich dabei, wie ich ihn fragend ansehe. Aber entweder nimmt er es nicht wahr, oder er zieht es vor, es nicht zu bemerken, und richtet seinen Blick stattdessen auf den grauhaarigen Mann, der sich in seiner von Medaillen schweren Armeeuniform erhebt.
    »Wer ist das?«, flüstere ich.
    »Sir Richard Fothergay.« Ich schaue ihn ratlos an. »Er ist der ehemalige Chef der British Army. Letztes Jahr in den Ruhestand getreten.«
    Teleshopping und Scrabble füllen ihn natürlich nicht genügend aus, und so hält er eine Rede über die Wichtigkeit der transatlantischen Wechselbeziehung, die gefühlte zweihundert Jahre dauert. Meine Konzentration schwankt, weil mir so vieles andere durch den Kopf geht.
    »Zum Abschluss«, sagt Sir Richard, und ich wittere das nahe Ende, »bin ich mir sicher, dass Sie sich mir alle anschließen werden, wenn ich William Harrington nun mein tiefempfundenes Beileid ausspreche, der vor Kurzem unter höchst tragischen Umständen seine Ehefrau verloren hat. Unsere Gedanken und Gebete sind in dieser schweren Zeit bei Ihnen und Ihrer Familie.«
    Aller Augen wenden sich in unsere Richtung, im Raum herrscht Stille. William hat seinen Blick auf den Teller gesenkt und studiert die Petits Fours wie einen verlorenen Schatz, dann zwingt er sich, in den Raum zu schauen. »Danke«, sagt er und vertieft sich wieder in seinen Teller.
    Anschließend werden wir endlich vom Tisch entlassen und in den Ballsaal durchgeschoben, den man leider Gottes in eine Disco verwandelt hat, samt einem bleichen DJ , der hinter seinen Decks wartet. Ich werfe einen verlegenen Blick auf William: Die Feierstimmung wirkt wie ein Fluch. Er bringt ein schwaches Lächeln zustande und führt uns dann durch die plaudernde Menge, aber ehe wir flüchten können, stellen sich

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