Seit jenem Tag
nur freudlos über meine erbärmliche Dummheit.
»Entschuldige.« Er sitzt da und wartet, und ich fühle mich verpflichtet weiterzumachen. »Ich habe mich nur gefragt, was passiert ist, seit du wieder zu Hause warst.« Er mustert mich eindringlich. »Was aus der Untersuchung geworden ist und der …« Exhumierung ist das Wort in meinem Kopf, aber ich kann es nicht aussprechen. Es klingt zu sehr nach Horrorfilm.
»Die Versicherungsgesellschaft macht einen Fall daraus. Es gibt Zeugen. Eine Familie, die sagt, sie hätten das Auto im Zickzackkurs zwischen den Fahrbahnen fahren sehen.« Er blickt von seinem Glas auf und verzieht das Gesicht. »Was sie zu der Behauptung veranlasst, es werde dadurch immer unwahrscheinlicher, dass sie nur für einen Moment unkonzentriert war.«
Ich habe den Geschmack von Metall im Mund, und mir wird innerlich ganz kalt. Ich taste nach Worten und würde gern dasselbe Maß an Kontrolle erlangen, das er über sich zu haben scheint.
»Das ist doch kein Beweis!«, sage ich mit erhobener Stimme. »Es muss doch nicht zwangsläufig ihr Auto gewesen sein. Sie können nichts beweisen!« Ich verstehe nicht, warum sie ihn so quälen müssen.
»Offenbar schon. Sie suchen jetzt nach Überwachungsaufnahmen und bitten, dass weitere Zeugen sich melden.«
»Das tut mir leid.«
Er sieht mich an, doch unter seinen schweren Lidern ist sein Blick ganz weit weg. Wir verweilen schweigend, aber es liegt noch etwas Unausgesprochenes in der Luft.
»War da, gibt es noch was anderes …«
Er fällt mir ins Wort.
»Ich möchte nicht, dass du schlecht von ihr denkst«, sagt er, von seinen Gefühlen überwältigt. Die verbissene Kontrolle ist verschwunden, und er schaut mich flehentlich aus seinem aufgerissenen Gesicht an. »Das war immer ihre größte Angst, Olivia.«
Ich sehe ihn an, wie er vor mir sitzt und mir angespannt seinen Körper zuwendet – er ist hoffnungslos in sie verliebt, und es schmerzt, ihn so zu sehen. »Das werde ich nicht tun«, erwidere ich, weiß aber in dem Moment, als ich es ausspreche, dass ich dieses Versprechen nicht unterschreiben kann.
»Sie hatte Schulden, Olivia. Unbezahlte Kreditkartenrechnungen, von deren Existenz ich gar nichts wusste. Tausende von Dollars sind noch offen.«
»Aber – werden die nicht einfach abgebucht?«
»Scheinbar nicht. Es gibt auch große Bargeldabhebungen, von denen ich keine Ahnung hatte. Wenn ich den Fall verliere, könnte das mein Bankrott sein. Es fällt schwer, nicht ständig in Angst vor der nächsten Enthüllung zu leben.«
Was für ein Meister der Untertreibung er doch ist. Ich lächele ihn an und lege sanft meine Hand auf seinen Arm. Dies geschieht unüberlegt, ganz instinktiv, es ist das Bedürfnis, durch die Gitterstäbe seines Gefängnisses zu greifen. Sie liegt da wie ein totes Ding, denn sein Arm wird steif unter meiner Berührung. Es dauert eine Ewigkeit, bis er weiterspricht.
»Ich glaube nicht, dass ich sie sehr glücklich gemacht habe«, ergänzt er in schroffem Flüsterton.
»Du kannst doch unmöglich davon ausgehen, dass es dein Fehler war …«
»Es ist eine ganz schlichte Feststellung.«
»O William …« Ich halte inne und wähle meine Worte mit Bedacht. »Die Sally, die ich kannte – sie war immer auf der Suche nach einem Kick. Ihre Sehnsucht galt immer dem, was sie nicht bekommen konnte.«
Das war ihr Treibstoff, der sie antrieb. Er enthob sie ihren bescheidenen Anfängen in der Vorstadt und forderte von ihr, dass sie aus eigenen Stücken Perfektion und Selbstsicherheit erreichte. Vermutlich verdankte sie ihm auch ihren Aufstieg ins vornehme Leben von Manhattan – aber wonach sehnte sie sich, nachdem sie dort endlich angekommen war?
»Ich sollte gehen«, sagt er und erhebt sich schwerfällig.
Ich bin zu weit gegangen. Wie komme ich dazu, hier zu sitzen und anzudeuten, sie hätte ihm womöglich nicht genügt.
»Wirklich?«, frage ich. Er nickt und steuert die Tür an. Ich fühle mich erbärmlich, als hätte ich ohne Betäubung die Wunde aufgerissen und sie dann offen gelassen. Ich folge ihm durch den Flur.
»Kann ich dir nicht wenigstens ein Taxi rufen?«
Er dreht sich um und schlägt mein Angebot aus.
»Ich komme schon zurecht.«
Er sieht ganz und gar nicht so aus.
»William … manchmal habe ich eine große Klappe. Bitte nimm nicht alles ernst, was ich gesagt habe.«
Plötzlich schlingt er seine Arme um mich. Ich verspanne mich und warte auf den Kuss auf die Wange, aber stattdessen hält er mich fest. Und in
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