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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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selbst für meine Ohren. Dann fängt die »Musik« an. Saxophone kreischen, Snares trommeln ohne erkennbaren Rhythmus, und Dad, der die andere Seite von Margery einnimmt, ruckt und zuckt mit seinem Kopf wie mit einer durchgeknallten Sonnenblume. Ganz ehrlich, die Leute hinter ihm dürften seekrank sein, als es endlich und glücklicherweise aufhört. Margery lächelt verzückt, als die Lichter angehen. Sie dreht erst ihm, dann mir ihren Kopf zu.
    »Das kommt so gut rüber!«, bemerkt sie, das Gesicht röter denn je.
    »Nicht wahr?«, stimmt Dad gleichermaßen selig zu.
    »Ich muss jetzt los«, sagt Jules, ehe sie ihren Fehler merkt. »Ich meine, es war brillant, ganz hervorragend. Aber ich muss zurück, damit Nat sein Abendessen bekommt.«
    »Und der Wagen steht kilometerweit weg«, platzt es aus mir heraus. Ich bin wirklich nicht älter als dreizehn.
    Als wir uns verabschiedet haben und im Auto sitzen, möchte ich Dad plötzlich gar nicht mehr verlassen. Mein Blick fällt auf die geschlossene Tür, den schwankenden Schein der Energiesparlampe, und ich verspüre das verrückte Bedürfnis, ihn vor etwas zu bewahren.
    »Was meinst du, geht es ihm gut?«, frage ich wehmütig.
    Jules dreht bereits den Schlüssel im Zündschloss. Ich lege meine Hand auf ihren Arm, sodass sie innehält.
    »William?« Sie wendet sich mir zu. »Wie sollte das gehen?«
    »Nein, Dad.« Jules sieht mich leicht entnervt an. »Nun mach schon, fahr«, sage ich, als ich ihre Ungeduld spüre – dieses Gespräch ist nicht neu. »Er wirkte nur ein wenig traurig, so wie er über Mum spricht …«
    »Sie waren fünfundzwanzig Jahre lang verheiratet. Natürlich will er wissen, was sie macht.«
    »Er fragt aber nicht nur, er verzehrt sich regelrecht nach ihr. Wenn er nun ein Schwan ist, was dann?«
    »Ich kann mir niemanden vorstellen, der weniger schwanengleich wäre, Livvy.«
    »Sie sind einander ein Leben lang treu, Schwäne. Wenn ein Schwan seine Frau verliert, war’s das. Schluss, aus und vorbei.«
    »Ihm geht es gut, er ist einfach Dad, interpretiere da nicht zu viel hinein.« Wir stehen an einer roten Ampel, und sie sieht mich mit jenem geschwisterlichen Blick an, der keine Widerrede duldet. »Denk stattdessen an William. Wenn du was für ihn empfindest, solltest du ihn nicht so einfach abschreiben.«
    »Das muss ich aber, Jules.« Ich sehe sie an und versuche die Flut der über mich hereinbrechenden Gefühle in einen logischen, zusammenhängenden Gedanken zu kanalisieren. »Ich kann es nicht tun.«
    Sie schaltet und fährt los. Ist es selbstsüchtig oder ganz und gar menschlich, dass ich mich nach den Tagen zurücksehne, an denen wir uns irgendwo bis zur Sperrstunde verschanzten und ein richtiges Gespräch ohne Eile führten, das nicht von Ampelschaltungen diktiert wurde?
    »Nach einiger Zeit wird er sich schon jemanden suchen, und ich wüsste nicht, warum das nicht du sein solltest. Ich sage das zwar ungern, aber die Tatsache, dass er dich geküsst hat, beweist es doch.«
    Die Logik des von ihr Gesagten kann ich nicht bestreiten, glauben kann ich es allerdings auch nicht. Die Liebe bekommt dadurch den Stellenwert von einem Handel mit Wertpapieren: Man kauft die Papiere zum Tiefstkurs ein in der Hoffnung auf einen soliden Gewinn. Und wieder spüre ich die Präsenz von Sally so stark, als wäre sie hier mit im Auto. Ich bekomme Herzklopfen, und so halte ich mich am Sitz fest und atme tief ein und aus, um mich zu beruhigen.
    »Das beweist gar nichts. Er war betrunken. Leute neigen zu Dummheiten, wenn sie zu tief ins Glas geschaut haben. Außerdem bin ich wirklich die Letze, die er in Betracht ziehen sollte. Die Allerletzte.«
    Hörst du mich, Sally? Wenn ich es laut genug sage, wirst du mir dann glauben?
    März 1996
    »Schließ die Augen und wünsch dir was«, sagte Sally, als sie mit einer schief in ein gekochtes Ei gesteckten brennenden Kerze in mein Zimmer gestürmt kam.
    Ich kämpfte mich völlig orientierungslos aus dem Schlaf. Sie stand am Ende meines Einzelbetts und jonglierte ein beladenes Tablett. Außer den Eiern befanden sich darauf noch ein Blumenstrauß, ein paar Scheiben Toast, eine Kanne Kaffee und ein wunderschön verpacktes Geschenk.
    »Ist Schmusekater gar nicht bei dir?«
    Ich sollte wenigstens so loyal sein, sie an seinen richtigen Namen zu erinnern, aber ich hatte inzwischen gelernt, dass es vergeudete Zeit war. Stattdessen blies ich meine Kerze aus.
    »Ich treffe ihn um zehn Uhr in der Bibliothekscafeteria.« Wusste sie, dass

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