Seit jenem Tag
hatte. Sein teuer wirkendes Label konnte ich nicht identifizieren. Ich musste hineingleiten, der Stoff umgab meinen Körper wie eine zweite Haut.
»Perfekt, abgesehen davon, dass sich dein Slip abzeichnet. Zieh deinen neuen Body an, Livvy.«
Sie blieb im Zimmer, wartete einfach ab. Ich drehte mich um und versuchte, nur ein Minimum an nacktem Fleisch zu zeigen, doch ich spürte ihre Blicke auf mir und wusste irgendwann, dass sie mein Unbehagen genoss. Ohne darauf einzugehen, konzentrierte ich mich auf die glatte Silhouette, die das Kleid dank des Bodys bekam. Sally lieh mir noch ein Paar ihrer High Heels, deren Spitzen ich mit Seidenpapier ausstopfte, und dann war ich ausgehbereit. Ich erkannte mich selbst kaum wieder, was mir mit zunehmender Regelmäßigkeit passierte.
»Umwerfend«, sagte sie, als sie hinter mir stand und unsere Augen sich im Spiegel trafen. An dieses Bild erinnere ich mich so deutlich, als hätten wir es für die Nachwelt mit einem Schnappschuss festgehalten.
Sally gab dem Taxifahrer flüsternd Anweisungen. Jedes Mal wenn ich fragte, wohin wir fahren, sagte sie: »Es ist eine Überraschung!«, und das löste in mir das berauschende und süchtig machende Gefühl aus, nur um meiner selbst willen gefeiert zu werden. Wir drei Mädels saßen dicht gedrängt auf dem Rücksitz und teilten uns ein Alcopop, das Sally in ihrer Handtasche verstaut hatte, und wurden immer lauter und ausgelassener.
»Weiß Matt denn, wo er uns finden kann?«, fragte ich, und für einen Moment machte meine Euphorie dem Verantwortungsgefühl Platz.
»Ja, alles bestens. Ich habe das Kontrollzentrum Schmusekater informiert«, antwortete Sally in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, wie weit unten auf ihrer Prioritätenliste dies rangierte.
Wir hielten vor einer Bar mitten im Stadtzentrum, das zu hochpreisig für Studenten war. »Wir stehen auf der Liste«, sagte Sally und rauschte an dem bulligen Türsteher vorbei, ohne sich noch einmal umzuschauen. Sie führte mich durch die Bar in ein Hinterzimmer, wo ein Happy-Birthday-Banner quer über die hintere Wand gespannt war und eine Flasche Cava bereits in einem Sektkühler wartete. Es waren eine Menge Leute da, von denen ich die meisten kannte. »Überraschung!«, rief sie. Der Cava perlte in mein Glas, und alle sagten im Chor Happy Birthday . Matt befand sich in der Menge und fügte sich mit einem schüchternen Lächeln seiner Rolle in der zweiten Reihe. Sally musste dies seit mindestens einer Woche geplant haben, überlegte ich, aber sofern Matt mir nichts vorgemacht hatte, wusste er heute Morgen noch nichts davon. Wie dicke Schmeißfliegen summten diese negativen Gedanken durch meinen Kopf und versuchten ärgerlicherweise diesen wunderbaren Augenblick zu verderben – ich schob sie beiseite.
»Danke euch allen«, sagte ich und hob mein Glas, als sie mir zuprosteten.
»So ein Mist, habe ich etwa das Anstoßen verpasst?«, sagte eine vertraute Stimme. Meine Beine begannen vor Schreck über die hier aufeinanderprallenden Welten zu zittern, als ich mich langsam umdrehte.
Und dann stand James vor mir, mit einem Geschenk in der Hand.
Kapitel 11
Jules’ Worte gingen mir während der folgenden Tage nicht aus dem Kopf. Inzwischen bin ich so verwirrt, dass ich kaum mehr weiß, wo es langgeht. Mir ist klar, dass aus William und mir nie was werden kann, egal, was sie sagt, aber ich weiß auch, dass er Höllenqualen leidet und ein Mann ist, der einen Freund bitter nötig hat. Aber wem versuchte ich damit was vorzumachen? Jedes Mal wenn ich mich an seinen Kuss erinnere, werde ich vor Scham ganz rot, dass ich mich einen kurzen Moment lang habe gehenlassen. Ich schäme mich noch mehr, wenn ich daran denke, wie selbstgerecht ich an diesem Tag gewesen bin, wie vorschnell in meinen Urteilen, eine Ironie, die viel zu bitter ist, um länger darüber nachzudenken. Bis ich weiß, wirklich weiß, dass das Verlangen aufgehört hat, muss ich jeden Kontakt zu ihm vermeiden.
Es deutet allerdings auch nicht das Geringste darauf hin, dass ihm an meiner Freundschaft gelegen ist – seit ich meine letzte Textnachricht abgeschickt habe, habe ich nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht ist es wirklich vorbei, erledigt, beendet, aber innerlich wehrt sich etwas hartnäckig in mir, daran zu glauben – jene geheime, verborgene Stelle, die sich mit ihm verbunden fühlt, verknüpft durch Sally und doch wiederum unwiderruflich von ihr auf Abstand gehalten.
Ich habe das bestimmte Gefühl, dass James
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