Seit jenem Tag
mir aus dem Weg geht. Übers Wochenende ist er praktischerweise weg, aber am Sonntagabend treffe ich ihn dann vor dem Herd mit einem Holzlöffel an, den er wie einen Hockeyschläger hält. James ist nicht der geborene Koch.
»Hi!«, sagt er und kommt durch die Küche auf mich zu, um mich zu küssen, als käme ich gerade von einer Dinnerparty zurück. »Es gibt Spaghetti bolognese.«
»Du tust immer so dicke Stücke Karotten hinein«, sage ich missmutig.
»Keine Karotten!«
»Alles klar«, sage ich und schenke mir ein großes Glas Wein aus der erlesen aussehenden Flasche ein, die er gekauft hat. »Ich möchte, dass du aufhörst, mich zu hassen.«
»Hass ist ein sehr starkes Wort, Olivia.«
»Und nenn mich nicht Olivia.«
William nennt mich immer Olivia. Wieso eigentlich?
»Livvy.« Er verlässt seinen Platz, um mit mir anzustoßen. »Tut mir leid.«
Es tut ihm leid, das sehe ich ihm an, aber ich glaube auch eine gewisse Schadenfreue zu erkennen. Manchmal wünsche ich mir, ich würde ihn nicht so gut kennen. Ich proste ihm mit der minimalst möglichen Begeisterung zu und richte dann meinen Blick auf die Bratpfanne und stochere mit einem Maximum an Verachtung in der Bolognese herum.
»Charlotte meinte, ihr hättet nett miteinander zu Mittag gegessen.«
Wütend wirbele ich auf dem Absatz herum. Ich finde es unmöglich, dass sie hinter meinem Rücken miteinander reden und mich ausgrenzen. Es war schon schlimm genug, die Sexpolizei zu sein, aber das hier ist schlimmer.
»Oh, hat sie?«
»J-ja. Ich dachte …«
»Was auch immer du gedacht haben magst, du liegst falsch. Das ist eine ganz fürchterliche Idee, James. Sie ist verlobt! Sie arbeitet mit mir. Und selbst wenn das alles nicht der Fall wäre, ist sie einfach kein netter Mensch.«
Ein katastrophaler Ansatz. Er sieht mich finster an.
»Ich werde dir das nachsehen, Livvy, aber es geht dich wirklich nichts an, was zwei erwachsene Menschen zu tun beschließen. Und komm bloß nicht auf die Idee, du hättest das Recht zu moralischer Überlegenheit.« Das trifft mich dort, wo es wehtut. Mir bleibt die Luft weg, und ich muss mich setzen. »Tut mir leid«, sagt er noch einmal. Ich schaue ihn an, und für den Fall, dass meine Augen das Fenster meiner Seele sind, hoffe ich, dass die Vorhänge zu sind. »Ich hätte das nicht sagen dürfen.«
»Mir tut es auch leid.« Mein Kampfgeist hat mich verlassen. Er sieht mich mit einem so weichen Ausdruck an, wie ich ihn selten zu Gesicht bekomme, und die machohafte Spottlust ist ganz zurückgenommen. »Magst du sie denn?«, frage ich, obwohl ich die Antwort kenne und schon die bloße Fragestellung masochistisch ist. Wenigstens denke ich im Moment nicht an William.
»Ja«, sagt er mit einem hilflosen Lächeln. »Sie ist … sie ist vollkommen anders als die anderen.«
Schwerer rumzukriegen, sage ich mir, und sehe die Parade von Idiotinnen vor mir, die durch unser Haus getrippelt kam und jeglichen Widerstand bereits an der Tür abgegeben hat. Ist das alles, oder könnte es etwas Tiefergehendes sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Letzteres ertragen kann.
In all den Jahren habe ich mir eingeredet, dass James kein Mann ist, der sich auf etwas festlegen lässt, und dass ich mir das Beste von ihm geschnappt habe – wenn sich nun aber herausstellt, dass ich einfach den Anforderungen nicht genügt habe, verletzt mich dies mehr, als ich jemals zugeben kann.
»Sei einfach vorsichtig, okay?«, rate ich ihm, wobei ich mich über den Tisch beuge und seine Hand drücke. »Äußert sie sich irgendwie dazu, dass sie Peter verlassen möchte?«
Ich sehe mich in unserer schmuddeligen Küche um und muss an den übergroßen Klunker denken, der Charlottes spinnenartige linke Hand nach unten zieht. Ihr Verlobter ist Banker, trägt allerdings in seiner Freizeit unmögliche Klamotten, was man ihm aber wegen seines Kontostands nachsieht. Ich möchte wetten, dass ihre fettfreien Joghurts im obersten Fach eines Smeg-Kühlschranks untergebracht sind und ihr unbenutzter Herd ein sich selbstreinigendes Meisterwerk deutscher Ingenieurkunst ist. Und ich werde die Bedenken nicht los, dass James für sie ein netter Zeitvertreib ist, bis ihr das Ganze zu gefährlich wird und sie die Affäre mit ihm beendet.
»Sie würde sich morgen von ihm trennen, wenn sie könnte, aber er ist emotional völlig abhängig von ihr.«
Die Vorstellung, James könnte selber auf diese Formulierung gekommen sein, ist völlig absurd. Dann habe ich plötzlich einen
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