Seitenwechsel
müssen. »Nach dem wievielten Mal duzen Sie Ihre Bekanntschaften in der Regel?«
Hannes lachte.
»Ich dachte, Sie fänden es komisch, wenn ich Sie im Büro plötzlich duze.«
»Ja, aber ich finde es erst recht komisch, wenn Sie mich im Bett siezen.«
»Gut, dann trennen wir ab jetzt einfach Büro und Bett.«
Ich sah ihn verdutzt an. Hieß das etwa, er wollte auch weiterhin Büro und Bett mit mir teilen? Zumindest bei Letzterem waren wir an einem heiklen Punkt angekommen. Ein Two-Night-Stand war gerade noch vertretbar. Wenn er auch nicht zur Entspannung zwischen uns beitragen würde. Aber ab dem dritten Mal würde unser Verhältnis schon fast Züge einer wie auch immer gearteten Beziehung annehmen, und dazu war ich weiß Gott noch nicht bereit. Hannes bemerkte mein Zögern. »Oder soll ich dich bei der Arbeit auch duzen?«
»Was? Äh, nein, ich finde die Regelung gut. Soll ja schließlich keiner denken, dass du mich bevorzugst, nur weil ich …« Ich brach ab. Ja, was eigentlich, ›mit dir ins Kino und anschließend ins Bett ging, mich von dir abschleppen ließ, mich bei dir ausheulte …‹ Ich hatte keine Ahnung, was ich hier eigentlich machte. Und welche Pläne Hannes hatte.
»Warum kommst du nicht zurück ins Bett und wir üben noch ein bisschen.«
Also gut, Hannes’ Pläne für den heutigen Abend waren damit erst mal geklärt.
»Das Duzen, meinte ich natürlich.«
»Natürlich.« Ich lächelte ihn flüchtig an und tat so, als würde ich mich für seine Büchersammlung interessieren, die mangels Bücherregal einfach in drei großen Stapeln neben dem Bett stand. »Du solltest wirklich mal anfangen, deine Wohnung einzurichten. Immerhin ist gerade Sommerpause.«
Hannes zog sich theatralisch die Bettdecke über das Gesicht.
»Wusstest du, dass du da hinten noch eine komplette Zweitwohnung samt Mini-Küche und Badezimmer hast?«
»Nein, den Südflügel habe ich noch nicht erkundet. Ich fühle mich wohl hier, in diesem Zimmer, in diesem Bett. Und mit dir würde ich mich hier drin noch wohler fühlen.«
Langsam fielen mir keine Ausreden mehr ein, die mich von seinem Bett fernhalten konnten.
»Aber du könntest da dein Büro einrichten, oder einen Hobbyraum.« Ich wünschte, ich hätte so viel überschüssigen Platz. Denn allmählich fiel mir in Tinas Dachgeschosszimmer wortwörtlich die Decke auf den Kopf. Jedes Mal, wenn unten gehämmert oder gebohrt wurde, bröckelte über mir wieder ein bisschen Putz von den schrägen Wänden. Die Handwerker wischten meine Bedenken mit der Standardbemerkung beiseite, dass so ein Haus eben lebte. Ich dagegen fand viel mehr, dass dieses Haus verweste. Und wenn das Gerippe endgültig in sich zusammenfiel, wollte ich nicht darunter begraben sein.
»Mein Büro ist in der Redaktion und ich habe keine Hobbys«, erstickte Hannes meine Smalltalk-Bemühungen gleich wieder im Keim.
Ich wanderte kopfschüttelnd zum Geländer, von wo aus man den Rest des Lofts wunderbar überblicken konnte. Sein Schlafzimmer nahm die ganze obere Etage ein und war etwa halb so groß wie der untere Wohn- und Essbereich. Es wirkte tatsächlich wohnlicher als der Rest des Lofts, Hannes hatte sogar ein Poster von einem mir unbekannten Fotografen an die Wand geheftet, aber gemütlich war anders. Außer einem überdimensionierten Schrank und dem stilvollen Doppelbett war auch diese Etage leer.
»Du könntest echt viel aus diesem Loft machen.«
»Also gut, wie wäre es mit übermorgen?«, murmelte Hannes unter der Bettdecke.
»Was übermorgen?«
»Na, Baumarkt, Ikea, das Abrisskommando? Keine Ahnung, du bist offensichtlich die Expertin, also musst du mir helfen.«
Da war es also. Das dritte Mal. Hannes wollte sich mit mir verabreden, und dann auch noch zum Einrichten der Wohnung. Ganz klar, Hannes wollte mehr. Mehr als ich auf jeden Fall, was nicht schwer war, da ich im Grunde doch gar nichts von ihm wollte und auch jetzt nur hier war, weil er mich mit seiner Nichtverabredung überrumpelt hatte.
»Ich kann nicht!«, platzte es etwas schärfer als geplant aus mir heraus.
Hannes sah mich überrascht an.
»Kai«, stammelte ich zur Entschuldigung. »Kai bleibt ein paar Tage bei mir, deswegen habe ich mir freigenommen und deswegen kann ich nicht mit dir … Ähm, tut mir leid.«
Hannes warf mir einen prüfenden Blick zu. Ich hatte das Gefühl, dass er mehr verstand, als ich damit sagen wollte. Er nickte enttäuscht. Ich setzte mich auf die Bettkante und zog mich hektisch an.
»Ja, deswegen muss
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