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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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»Mist. Das ist Tim mit Kai. Viel zu früh. Kannst du mal aufmachen, Tina?«
    Aber Tina war unerbittlich. »Wer mit seinem Chef ins Bett gehen kann, kann auch seinem Exfreund die Tür aufmachen«, rief sie mir von der Treppe aus zu und zwar so laut, dass ich befürchtete, Tim könnte es durch die Haustür hindurch hören.
    Ich sah entsetzt an mir herunter. Ich trug immer noch meinen Schlafanzug, oder, um genau zu sein, ein uraltes löchriges T-Shirt eines U2-Konzerts, das ich mal vor zwanzig Jahren besucht hatte, und eine ausgeleierte Jogginghose, die mit Kaffee- und Zahnpastaflecken besudelt war. An meine wirr abstehenden Haare durfte ich gar nicht denken. Ich war nicht einmal annähernd in einem Zustand, in dem ich Tim zum ersten Mal seit unserer Trennung gegenübertreten konnte. Es klingelte noch mal, Tina zog lautstark die Badezimmertür hinter sich zu und ich hatte immer noch keinen Plan B. Es war ja nicht so, dass Tim mich nicht schon tausendmal in diesem Aufzug gesehen hätte. Aber mein Aussehen strahlte nun mal nicht die Selbstsicherheit und Überlegenheit aus, die man gegenüber einem Ex-Freund in der Regel ausstrahlen sollte. Ich hätte ihm frisch geduscht, fröhlich und wie aus dem Ei gepellt gegenübertreten müssen, aber nicht in dieser Trauermontur, die ihn nur noch mal darin bestätigte, wie richtig es doch gewesen war, mich zu verlassen. Es klingelte ein drittes Mal. Tim musste uns gehört haben. Er wusste, dass ich da war, und mit etwas Pech wusste er jetzt auch, dass ich mit meinem Chef geschlafen hatte. Es gab keinen Ausweg. Ich musste ihm, so wie ich war, die Tür öffnen. Ich tapste barfuß in den Flur. Tim erschrak regelrecht, als ich die Haustür schließlich abrupt aufriss, weil ich es schnell hinter mich bringen wollte. Um die Demütigung perfekt zu machen, hatte er nichts Besseres zu tun, als einfach nur verdammt gut auszusehen. Seine braunen Haare trug er jetzt nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen einer halblangen In-Frisur wieder kurz, so wie ich es am liebsten mochte. Er hatte eine von diesen Jeans an, die so weit und maskulin geschnitten waren, dass sie im Grunde nur Sportler tragen konnten, ohne albern zu wirken, und dazu ein lässiges Kapuzenshirt. Er wirkte größer, kräftiger, jugendlicher, als ich ihn in Erinnerung hatte, vielleicht auch nur, weil ich unbewusst versucht hatte, ihn in meiner Erinnerung so unattraktiv wie möglich zu machen. Und zu allem Überfluss lächelte er mich mit seinem Tim-Lächeln an, das immer etwas schüchtern und daher einfach unglaublich süß war. Keine Regung in seinem Gesicht verriet, dass er meinen Aufzug unangebracht fand.
    Mir fehlten die Worte. Aber zum Glück kam Kai direkt in meine Arme gelaufen und bohrte seinen Kopf so heftig in meinen Bauch, dass mir ohnehin die Luft zum Sprechen wegblieb. »Mami, Mami!« Ich ging in die Knie und drückte ihn an mich. Dann blinzelte ich Tim gegen das grelle Sonnenlicht an.
    »Entschuldige, sind wir zu früh?«, fragte er, und ich versuchte, nicht ganz so übernächtigt zu wirken.
    »Nein, nein, überhaupt nicht. Ich bin nur … es war …« Ich verstummte, weil ich ihm schlecht den Grund für meinen desolaten Zustand nennen konnte und wohl auch nicht musste. Zum Glück rettete Kai uns aus dieser unangenehmen Situation. Er hielt mir ein riesiges Paket unter die Nase.
    »Mami, baust du das Piratenschiff mit mir auf? Das hat Sarah mir geschenkt.«
    Ich sah überrascht auf, und sofort fühlte Tim sich genötigt, die Angelegenheit herunterzuspielen.
    »Ich wusste nicht, dass sie ihm das Schiff gekauft hat. Ich weiß, wir hatten gesagt, dass er dafür noch zu klein ist. Ich habe ihr gesagt, dass sie ihm nichts schenken soll, aber … na ja.«
    Ich nickte, aber es interessierte mich nicht im Geringsten, was wir gesagt hatten oder was er Sarah gesagt hatte oder was Sarah selbst möglicherweise gesagt hatte. Das Einzige, was mich interessierte, war die Tatsache, dass Sarah, die ominöse Sarah, Kai überhaupt etwas geschenkt hatte. Dass sie in Kais Leben getreten war und mit diesem einfachen Geschenk deutlich gemacht hatte, wie ernst es zwischen Tim und ihr inzwischen war. Diese Feststellung haute mich vollkommen um, wie eine lange einstudierte Rechts-Links-Kombination. Ich hielt mich nur noch mühsam auf den Beinen, während Kai mir das riesige Paket zeigte und bettelte, dass wir es jetzt gleich sofort aufbauen müssten.
    »Ja, natürlich, Schatz, das machen wir sofort. Bring es doch schon mal ins Wohnzimmer,

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