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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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albernen Beziehungsratgeber haben. Aber meine Mutter drückte uns unbeeindruckt von meinen Protesten die Kugeln, Kerzen und das Lametta in die Hand. Tim und ich sahen uns völlig überrumpelt an, während sich die anderen bereits ihre Stiefel und Handschuhe anzogen.
    »Mama, kannst du mir bitte mal erklären, was das soll?«
    »Natürlich kann ich das, Schatz«, sagte sie zuckersüß, als hätte sie Tim und mich nicht gerade in eine gemeine Falle gelockt. »Redet, streitet euch, schlagt euch meinetwegen. Aber wenn wir zurückkommen, habt ihr euch vertragen und benehmt euch wie normale Eltern. Und wenn ihr es nur Kai zuliebe macht.«
    »Entschuldige Mama, aber du und Papa, ihr habt damals drei Jahre kein Wort mehr miteinander gewechselt«, erinnerte ich sie an ihr unelterliches Verhalten kurz nach ihrer eigenen Scheidung.
    »Ja, und wir haben daraus gelernt. Und jetzt wollen wir euch an unserer Erfahrung teilhaben lassen, damit ihr nicht die gleichen Fehler macht wie wir.«
    Klasse. Und deswegen musste ich jetzt zum zweiten Mal unter ihrem Fehler leiden?
    »Also, lasst alles raus. Aber vergesst den Baum dabei nicht, ja?«, hauchte sie uns zu, als sie lächelnd die Tür hinter sich zuzog und Tim und mich alleine in der Arena zurückließ. Fehlte nur noch, dass sie uns einschloss.
    Aufgebracht wandte ich mich Tim zu. »Wusstest du etwa davon?«
    »Nein. Ganz bestimmt nicht.«
    Ich schüttelte fassungslos den Kopf. »Typisch meine Mutter!«
    »Und was sollen wir jetzt machen?«, fragte Tim genauso hilflos wie ich.
    »Den Baum schmücken, was sonst!« Ich schnappte mir den Karton mit den roten Christbaumkugeln, während Tim sich nach einigem Zögern mit der Lichterkette abmühte. Ich war mehr als geladen. Da tat ich mein Bestes, um den Familientag friedlich hinter mich zu bringen, und dann wurde ich auch noch zum Streiten gezwungen.
    Tim und ich arbeiteten stumm vor uns hin. Als wir uns mit den Lichtern und Kugeln ins Gehege kamen, wichen wir uns eilig aus. Mamas Holzhammerpädagogik ging völlig nach hinten los. Wir wechselten kein Wort miteinander, bis Tim schließlich aufgab.
    »Also gut. Vielleicht hat deine Mutter ja recht. Streiten wir uns. Ich weiß ja, dass du sauer auf mich bist.«
    Ich lachte bitter und konzentrierte mich weiter auf die Kugeln. »Nein. Ich bin nicht sauer auf dich. Ich hasse dich nur.«
    Tim nickte verständnisvoll, und das brachte mich noch mehr auf die Palme. Ich konnte mich kaum noch zurückhalten. Tim dagegen blieb mal wieder die Ruhe selbst. »Hör zu. Ich kann ja verstehen, dass du mich hasst wegen Sarah, aber …«
    »Sarah hat damit nichts zu tun«, unterbrach ich ihn schroff. Mein Gott, wollte er jetzt ernsthaft meiner Mutter gehorchen und mir eine Diskussion aufzwingen? »Sarah ist toll«, grummelte ich vor mich hin, während ich die Kugeln ohne Rücksicht auf Ästhetik oder das Gesamtbild aufhängte. »Sie ist klasse, ich kann verstehen, warum du dich in sie verliebt hast.« Und das meinte ich noch nicht mal ironisch. »Aber die Art, wie du es getan hast, war einfach nur … einfach nur mies!« Ich sah ihn kurz an. »Und dafür hasse ich dich, oder ich versuche es zumindest, und meistens gelingt es mir auch ganz gut.«
    Tim wirkte sichtlich getroffen und überlegte lange, bevor er erklärte: »Ich wollte dir nicht wehtun. Ich …«
    »Das musstest du aber«, fiel ich ihm wieder aufgebracht ins Wort. »So oder so tat es weh. Aber du hast es nur noch schlimmer gemacht, weil du immer alles auf mich abgewälzt hast. Ich musste herausfinden, dass du sie liebst. Ich musste die Entscheidung treffen zu gehen. Ich musste den Schlussstrich ziehen. Und um das Ganze zu toppen, musste ich plötzlich auch noch diejenige sein, die zuerst eine Affäre hatte, damit du dir nicht so schäbig vorkommst.« Ich funkelte ihn böse an, in jeder Hand eine dunkelrote Weihnachtskugel, und es fehlte nicht viel, und ich hätte sie Tim an den Kopf geworfen. »Weißt du, was am meisten wehtat? Dass du die ganze Zeit nicht ein einziges Mal den Mut aufgebracht hast, mir zu sagen, dass du mich nicht mehr liebst.«
    »Weil es gelogen wäre!«, verteidigte Tim sich jetzt plötzlich genauso aufgebracht und nahm mir mit diesem einen Satz allen Wind aus den Segeln. Ich sah Tim perplex an, während er fortfuhr: »Glaubst du wirklich, dass ich aufgehört habe, dich zu lieben?«
    Ich versuchte, darauf etwas zu erwidern. Aber es gab nichts, was ich darauf erwidern konnte. Stattdessen öffnete ich ein paarmal den Mund und

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