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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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schloss ihn ergebnislos wieder, wie ein Fisch, der aus seinem Aquarium gesprungen war.
    »Das habe ich nicht, Karina. Bis heute nicht.«
    Eine ganze Weile stand ich ziemlich dämlich da, mit den beiden Kugeln in meiner Hand, und starrte Tim sprachlos an. Er ließ von der Lichterkette ab und schüttelte den Kopf. »Die Entscheidung, die du getroffen hast, als du gegangen bist, hätte ich gar nicht übers Herz gebracht. Wenn du denkst, dass ich danach freudestrahlend zu Sarah gelaufen bin, irrst du dich gewaltig. Der Moment, als du die Tür hinter dir zugezogen hast …« Tim schüttelte den Kopf und ließ sich kraftlos aufs Sofa sinken. »Ich wusste, bei uns war irgendwie der Wurm drin, aber dass du einfach gehen würdest …«
    Ich sah ihn erstaunt an. Offenbar hatten wir beide diesen Moment noch immer genau vor Augen, als hätte er sich in unsere Netzhaut eingebrannt.
    »Aber …« Ich musste mich räuspern, um gegen den Kloß in meinem Hals anzukommen. »Du hast mich auch nicht aufgehalten«, wandte ich leise ein.
    Tim sah mich an und hatte verdächtig glänzende Augen. Er schüttelte den Kopf. »Du warst so energisch, für dich schien irgendwie alles klar zu sein.« Nachdenklich starrte er vor sich hin.
    »Was hätte ich denn tun sollen, Tim? Du hast dich in eine andere Frau verliebt. Ich brauchte einfach einen klaren Schlussstrich«, erklärte ich.
    »Oder einen Neuanfang?«, fragte er bewusst provokativ und sah mich dabei herausfordernd an.
    »Jetzt fang bitte nicht wieder damit an! Nur weil ich ein paarmal von meinem neuen Chef erzählt habe?«
    Tim atmete tief durch, dann sah er mir direkt in die Augen.
    »Nicht nur deswegen.« Er kämpfte mit sich, bevor er fragte: »An dem Abend, als ich dir von Sarah erzählt habe und du danach nicht mehr nach Hause gekommen bist, warst du da bei ihm?«
    Mein Herzschlag setzte für einige Sekunden aus. Ich hatte das Gefühl, dicke, fette Steine in meinem Bauch würden mich nach unten ziehen. Ich musste mich neben Tim aufs Sofa setzen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn zu antworten. Aber das brauchte ich auch nicht. Tim deutete mein Schweigen richtig.
    Wir starrten stumm vor uns hin. Bis ich schließlich sagte: »Es waren nicht die Seitensprünge mit Sarah oder Hannes, die unsere Beziehung kaputt gemacht haben. Es lief schon vorher nicht mehr rund, sonst wären wir nie so weit gegangen.«
    Tim sah mich an, und auch wenn ich ihn damit quasi von jeder Schuld freisprach, war er nicht erleichtert. »Nein, ich weiß. Wir haben es irgendwo verbockt.«
    »Vielleicht hätten wir mehr um unsere Beziehung kämpfen müssen, aber …«, ich schluckte. »Ich war einfach so durch den Wind, danach.«
    Tim seufzte: »Ja, es ging alles unglaublich schnell.«
    Wir nickten beide einvernehmlich, obwohl es das Ergebnis nicht besser machte.
    »Ich hätte nie gedacht, dass ich mich noch mal in eine andere Frau als dich verlieben könnte«, sagte er schließlich, aber bei allem Verständnis, das ich jetzt wieder für ihn aufbringen konnte, tat es trotzdem weh.
    »Also bist du glücklich mit Sarah?«, fragte ich.
    Er überlegte und nickte dann schwach. »Ja, es läuft gut. Es ist … unkompliziert mit ihr.«
    Unkompliziert. War das vielleicht unsere neue Definition für glücklich sein?
    »Und du?«, fragte Tim nun mich.
    »Ja. Auf jeden Fall. Es funktioniert gut zwischen Hannes und mir«, versicherte ich ihm eilig.
    Tim nickte und fühlte sich genötigt, das Ergebnis unserer Unterhaltung, vielleicht schon im Hinblick auf meine Mutter, noch einmal abschließend zusammenzufassen: »Also geht es uns jetzt besser.«
    »Ja. Sieht so aus.« Ich lächelte ihm zaghaft zu.
    »Dann könnten wir doch versuchen, wieder Freunde zu sein, auch Kai zuliebe, meinst du nicht?«
    Als wären wir jemals Freunde gewesen. Soweit ich mich erinnern konnte, waren wir entweder Feinde oder ein Paar, und wenn wir weder das eine noch das andere gewesen waren, waren wir entweder scharf oder wütend aufeinander. Dennoch erklärte ich bereitwillig: »Ja. Freunde.«

    Das Problem war nur, dass Freunde nicht das taten, was wir nur Sekunden nach dieser Freundschaftsbekundung auf dem Wohnzimmerfußboden meiner Mutter taten. Ich weiß auch nicht genau, wie es dazu kam. Wir wollten eigentlich nur unsere Versöhnung mit einer kleinen Umarmung besiegeln, und als Tim mich wie selbstverständlich fest an sich drückte, fühlte ich mich plötzlich ganz leicht. Ich hatte mich immer gut gefühlt in seinen Armen, egal

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