Seitenwechsel
ich dich nicht zu irgendetwas drängen will …«
Ich nickte blass. Ja, nein, ein anderes Mal vielleicht.
»… aber ich wollte dich fragen, ob wir …«
Nein, wenn auch rein prinzipiell durchaus.
»… alle zusammen in den Urlaub fahren sollen. Du und ich, Tim und Sarah und natürlich Kai.«
»Ja!«
Hannes sah mich nach diesem vorschnellen und etwas zu lauten Ja genauso überrascht an wie ich ihn. Aber ich war so erleichtert, dass er mir nicht die Frage gestellt hatte, dass ich vermutlich auch zu einer Teilnahme am Ironman Hawaii oder zur Anschaffung einer Brotbackmaschine ja gesagt hätte.
Seitenwechsel
Meine letzten Hoffnungen, dass dieser völlig hirnrissige Urlaub zu fünft aufgrund des berechtigten Einspruchs von Tim nicht stattfinden würde, zerschlugen sich mit dem herzlichen »Hannes hat uns schon alles erzählt, und wir finden die Idee ganz wunderbar«, das Sarah mir durchs Telefon entgegenflötete. Dabei wollte ich Tim eigentlich mit einem konspirativen Anruf zum Boykott aufrufen. Aber Tims neues »wir« wusste längst Bescheid und war begeistert. Ganz toll. Deswegen also das merkwürdige Dinner für zwei. Hannes hatte hinten herum bereits alles klargemacht und mich dann mit einem vorgetäuschten Heiratsantrag dazu gezwungen, willenlos einem Winterurlaub in tiefster Alpeneinöde zuzustimmen, der auch ohne Tim und Sarah eine Herausforderung gewesen wäre.
»Keine Sorge, das Ferienhaus hat zwei Etagen, wir laufen ihnen also nicht ständig über den Weg«, besänftigte Hannes mich, als er merkte, dass ich kurz davor war, einen Rückzieher zu machen.
»Zwei Etagen?«
»Ja. Zwei Etagen, fünf Schlafzimmer, zwei davon mit Blick auf einen See, zwei Wohnzimmer, zwei Badezimmer, eine Küche. Ich habe gehört, die Alpen sollen inzwischen so gut erschlossen sein, dass wir laut Prospekt sogar fließendes Warmwasser und einen Fernseher im Haus haben.«
Hannes hatte nicht den geringsten Schimmer, was mein Problem bei unserem Urlaub zu fünft war. Aber wenigstens wusste ich jetzt, wie ich unerwünschten Zwischenfällen vorbeugen konnte. Ein Schlafzimmer mit Seeblick und Warmwasser – darüber konnte Tina sich nun wirklich nicht beschweren.
»Och nöö, Schätzchen, du weißt doch, was bei meinem letzten Ski-Urlaub passiert ist. Ich habe jetzt noch Schrauben davon im Knie.«
»Genau, deswegen lasse ich dich auch auf gar keinen Fall auf die Skier. Du bist mein Puffer.«
»Dein Puffer. Ganz toll, ich soll also verhindern, dass du Tim an die Gurgel gehst?«
»Ja, genau.« Wenn die Definition von an die Gurgel gehen im weitesten Sinne auch um den Hals fallen beinhaltete.
»Warum hast du zu so einer schwachsinnigen Idee überhaupt ja gesagt?«, bohrte Tina rücksichtslos wie immer nach, aber zum Glück konnte ich sie schnell mit dem Prospekt über das nahe gelegene Wellnesscenter ablenken.
Mit Tina als Puffer konnte sogar ich mich schließlich mit dem Gedanken an einen Urlaub mit Tim anfreunden. Wenn unser Problem die Gewohnheit war, dann brauchten wir vielleicht auch nur die Gelegenheit, diese Gewohnheiten loszuwerden. Und was eignete sich besser dazu als ein gemeinsamer Winterurlaub, der uns zwang, unter Aufsicht von Hannes, Sarah und Tina, fast ständig zusammen zu sein.
Tatsächlich verlief unser Urlaub überraschend harmonisch. Es stimmte zwar, das Ferienhaus war so groß, dass wir uns nicht ständig auf die Füße traten. Aber komischerweise verbrachten wir freiwillig mehr Zeit miteinander als nötig und unternahmen fast alles zusammen. Wenn Hannes, Tim und Sarah morgens zum Skifahren aufbrachen und Kai in den Skikindergarten ging, begleiteten Tina und ich sie auf den Berg, steuerten die nächste Skihütte an und winkten mit einem Kaffee in der einen und einem guten Buch in der anderen Hand unseren drei Männern und Sarah gleichermaßen freundlich zu, jedes Mal, wenn einer von ihnen vorbeirauschte. Wir aßen mittags zusammen auf der Hütte, fuhren nachmittags zusammen Schlitten, bauten gemeinsam Schneemänner und lieferten uns abends sogar harmonisch-freundliche Schneeballschlachten. Kai fand es toll, dass er nun plötzlich vier Elternteile zur Verfügung hatte. Und ich fand es schön, die Zeit mit ihm nicht andauernd zwischen mir und Tim aufteilen zu müssen. Wir machten endlich mal wieder alles zusammen. Sogar nachdem Kai im Bett war, saßen wir oft noch stundenlang zu fünft bei ein paar Flaschen Wein zusammen im Wohnzimmer und spielten, redeten, lachten. Wir lachten tatsächlich gegen alle
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