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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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gemeint.«
    »Doch, das war es, und genau das nennt man außerhalb deiner verdrehten Karina-Welt Heiratsantrag. Es hat geregnet, ihr habt euch geküsst, und er hat dir die H-Frage gestellt. Gut, er war zwar mit einer anderen verlobt, aber er hätte dich trotzdem geheiratet.« Tina lächelte mich siegesgewiss an.
    »Na gut, dann war es eben ein richtiger Heiratsantrag, aber Frank war nicht der Richtige.«
    »Sicher. Und Tim vermutlich auch nicht, was?«
    Damit verschwand Tina auf der einzigen Toilette, die jetzt wieder frei wurde, und ließ mich ziemlich belämmert davor stehen. Tim? Hatte sie gerade Tim gesagt?
    »Aber … Tim hat mir doch nie einen Antrag gemacht?«
    Ich kam mir etwas blöd vor, mit einer vollgekritzelten Toilettentür zu reden, während hinter mir weitere Gäste in den engen Raum drängten, aber das Thema musste jetzt geklärt werden. Und zwar sofort.
    »Hat er nicht?«, kam es verwundert und begleitet von einem irgendwie unangebrachten Plätschern zurück.
    »Natürlich nicht! Wie kommst du da drauf?«
    »Na, weil er mich gefragt hat, ob er dich fragen soll.«
    Mein Herz rutschte in die Magengegend und pochte gleichzeitig heftig in meinen Schläfen. Auf jeden Fall war es nicht mehr da, wo es anatomisch hingehörte.
    »Und was hast du ihm gesagt?«, fragte ich vorsichtig.
    Statt einer Antwort wurde der Strahl hinter der Tür noch etwas lauter, bevor er dann tröpfchenweise versiegte.
    »Tina, was hast du ihm gesagt?«, fragte ich nun schon nicht mehr so vorsichtig.
    Sie wartete bewusst so lange, bis sie die ohrenbetäubende Klospülung ziehen konnte, bevor sie antwortete, in der Hoffnung, ich würde sie nicht verstehen.
    »Dass du ähm … ein freiheitsliebender Mensch bist, aber er es ja mal versuchen kann.«
    Ich schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Toll, danke. Und warum hast du mir das nicht gesagt?«
    Jetzt traute Tina sich allmählich wieder aus der Toilette. »Weil ich ihm die Überraschung nicht versauen wollte. Außerdem war das ja nun wirklich eine Sache zwischen euch. Sorry, Schätzchen, ich dachte, Tim hätte dich gefragt, und du hättest nein gesagt. Also gut, ich habe mich vertan. Dann war es eben nur ein Antrag. Wenn es dich beruhigt, stelle ich das bei Hannes sofort klar.«
    Ich schüttelte den Kopf. Darum ging es doch gar nicht mehr. Es war mir inzwischen egal, wie oft ich nein gesagt hatte. Viel wichtiger war doch, dass Tim ja sagen wollte. Dass er tatsächlich in Erwägung gezogen hatte, mich zu heiraten.
    »Aber warum hat er mich nie gefragt?«
    Darauf wusste Tina ausnahmsweise auch keine Antwort mehr, sondern legte lediglich ihren Arm um meine Schultern. »Ist doch jetzt auch egal. Komm, wir trinken noch einen Crypirinha.«
    Ihr mochte es vielleicht egal sein. Ihr war es ja auch egal, dass sich ihre umbenannten Cocktails total albern anhörten. Aber mir war es nicht egal. Es war mir alles andere als egal, und es kostete mich einiges an Überwindung, nach dieser Erkenntnis wieder zu Hannes und den anderen zurückzukehren.
    Trotzdem setzte ich mich zu ihm und lächelte ihn an, als wäre nichts geschehen. Während Tina und Aygün auf Hannes’ Nachfrage zum x-ten Mal die Geschichte ihres ungewöhnlichen Zusammentreffens zum Besten gaben, starrte ich wie in Trance vor mich hin und war dankbar dafür, nicht an der Unterhaltung teilnehmen zu müssen. Bis Aygün die Erzählung etwas pathetisch mit dem Satz beendete, dass er schon bei der ersten Begegnung mit dieser großen, dünnen, dunkelhaarigen und in einer fremden Sprache unaufhörlich auf ihn einplappernden Frau wusste, dass sie sein Leben retten würde. Und dann der Höflichkeit halber nachfragte, was denn die schicksalhafte Begegnung zwischen Hannes und mir gewesen sei. Wir sahen uns kurz etwas peinlich berührt an, bevor wir einmal mehr gleichzeitig, aber nicht das Gleiche, antworteten.
    »Ich bin über Hannes’ Tasche im Kino gestolpert.«
    »Karina hat mich an meinem ersten Arbeitstag als Einzige in der Redaktion vor dem Kaffee in der Kantine gewarnt und mir damit wahrscheinlich auch das Leben gerettet.«
    Aygün sah etwas verwirrt zwischen Hannes und mir hin und her. Aber ich war über Hannes’ Antwort selbst überrascht. Hauptsächlich, weil zwischen den beiden geschilderten Begegnungen fast ein halbes Jahr lag. Ich erinnerte mich zwar auch bestens an diese allererste Unterhaltung zwischen uns, aber eigentlich nur, weil ich danach sicher gewesen war, dass Hannes mich als erste Amtshandlung auf seinem neuen Posten feuern

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