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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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mal schön in dein Auto und komm zur Dienststelle, wir haben eine Vollalarmierung. Es geht um eine Geiselnahme in einer Bank in H.«
    Im Gegensatz zu den normalen Einsatzanlässen für SEK-Rufbereitschaftsgruppen, wie etwa der Festnahme von bewaffneten Straftätern oder Ähnlichem, wird beim Stichwort »Geiselnahme« standardmäßig jeder Beamte der Einheit, ob er nun Bereitschaft hat oder nicht, angerufen und, falls er sich meldet, zum sofortigen Dienst verpflichtet. Der Grund liegt in dem bei Geiselnahmen extrem hohen Personalbedarf, der allein mit den vorhandenen Rufbereitschaftskräften nicht gedeckt werden kann.
    »Weiß man schon Näheres?«, frage ich meinen Kollegen am anderen Ende der Leitung.
    »Alles noch unklar«, antwortet Heiner mir knapp, »aber wahrscheinlich ein Täter und mehrere Geiseln.«
    »Alles klar«, sage ich und frage nicht weiter, da ich weiß, dass mein Kollege noch viele weitere Anrufe zu tätigen hat. »Ich komme.«
    Das »Ok« von Heiner höre ich schon gar nicht mehr, denn ich lege sofort auf, schnappe mir meine Jacke und bin bereits wieder auf dem Weg zum Auto.
    Auf der Dienststelle angekommen, erwartet mich zunächst einmal gähnende Leere. Heiner ist mit seiner Rufbereitschaftsgruppe bereits auf dem Weg zum Tatort, und es ist offensichtlich noch keiner der zusätzlich alarmierten Kollegen eingetroffen.
    Ich beschließe, zunächst noch ein wenig abzuwarten, falls doch noch weitere Kollegen eintreffen sollten, und will die Zeit nutzen, um mir noch ein paar Informationen zu beschaffen. Telefonisch versuche ich, die SEK-Befehlsstelle am Tatort zu erreichen.
    Grundsätzlich wird bei Geiselnahmen so verfahren, dass die dem Tatort am nächsten gelegene Dienststelle mit angegliederten SEK-Kräften die Befehlsstelle vor Ort und damit auch die Führung und Koordination aller Spezialkräfte in dem sogenannten Einsatzabschnitt Tatobjekt übernimmt. Jedoch ist der jeweilige SEK-Kommandoführer nicht der Führer des gesamten Polizeieinsatzes. Verantwortlich dafür ist, wie bereits erwähnt, ein sogenannter Polizeiführer, ein höherer Beamter, meist der Leiter der Schutz- oder Kriminalpolizei einer großen Polizeibehörde, der sich mitsamt seinem Stab in aller Regel, so auch in unserem Fall, weit weg vom Geschehen in den Räumlichkeiten eines großen Polizeipräsidiums aufhält. Alle Maßnahmen der SEK-Kräfte am Tatobjekt bedürfen grundsätzlich der Genehmigung dieses Polizeiführers.
    Mein Anrufversuch bei der SEK-Befehlsstelle schlägt wiederholt fehl, da die Leitung dort erwartungsgemäß ständig besetzt ist.
    Mittlerweile ist mit Lars auch ein weiterer Kollege eingetroffen, der wie ich »unvorsichtigerweise« ans Telefon gegangen und zum Dienst zitiert worden ist, obwohl er keine Rufbereitschaft hatte. Erfahrungsgemäß versucht jeder SEK-Beamte sofort, sobald er etwa im Radio von einer laufenden Geiselnahme hört, Kontakt mit seiner Dienststelle aufzunehmen, denn bei einer Geiselnahme wird jeder Mann dringend gebraucht. So ist es auch keine Seltenheit, dass sich sogar Urlauber melden, falls sie die Möglichkeit haben, bei dem Einsatz ihre Unterstützung anzubieten.
    Hier zeigt sich, wie in vielen anderen Dingen auch, die überaus hohe Motivation, die uns ganz allgemein eigen ist und die häufig, nicht zuletzt auch im Kreise der eigenen Familie, auf Unverständnis stößt. Der oft unkalkulierbare Dienst und die längeren Trennungsphasen aufgrund von Lehrgängen wirken sich nicht sehr positiv auf ein normales Familienleben aus, weshalb die Scheidungs- und Trennungsrate bei SEK-Beamten deutlich über dem Durchschnitt liegt. Ich selbst bilde da keine Ausnahme, zwei gescheiterte Ehen sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache.
    Da in den nächsten Minuten kein weiterer Kollege eintrifft, beschließen Lars und ich, nicht länger zu warten und auch zum Tatort zu fahren, was nach unserer Berechnung gut und gern eine weitere Stunde Fahrzeit in Anspruch nehmen wird. Es gelingt mir schließlich doch noch, die SEK-Befehlsstelle am Tatort in H. telefonisch zu erreichen, und ich frage natürlich nach, ob ich noch Ausrüstungsgegenstände mitbringen soll, die die bereits vor Ort befindlichen Kräfte möglicherweise noch benötigen. Aber vor Ort wird nichts mehr gebraucht.
    So verstauen Lars und ich »nur« unsere persönliche Ausrüstung und Bewaffnung in einer zivilen Mercedes-Limousine. Allein das bedeutet aber bereits, dass jeder verfügbare Raum in dem Fahrzeug, Kofferraum und Rückbank

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