Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
Vom Netzwerk:
Danach verschwindet er wieder in dem hinteren Teil des Busses, der uns durch die abgehängten Scheiben keinen Einblick mehr gewährt.
    Piet und ich sagen beinahe gleichzeitig: »Keine Totmannschaltung …«
    »Wir sollten einen finalen Rettungsschuss auf den Täter versuchen, wenn er das nächste Mal vorne im Cockpitbereich zu sehen ist«, schlägt Piet vor.
    »Ist der finale Rettungsschuss schon freigegeben?«, wendet sich Wilhelm an Hans, denn ohne diese Freigabe wird bei einem solchen Täterverhalten jedwede Zugriffsplanung so gut wie unmöglich sein. Derzeit kann sich in unserem Kreis niemand eine Lösung vorstellen, die nicht mit dem Tod des Täters enden wird, es sei denn, er gäbe von selbst auf, was derzeit aber ausgeschlossen zu sein scheint.
    »Der finale Rettungsschuss ist durch den Polizeiführer bereits freigegeben, aber soviel ich weiß, gibt es für die Präzisionsschützen Probleme mit einer möglichen Abweichung des Geschosses, sollte der Täter zu weit hinter der Scheibe stehen, und außerdem war der Schusswaffengebrauch bisher wegen der vermuteten Totmannschaltung ausgeschlossen.«
    Die Antwort von Hans klingt nicht sehr vielversprechend, und tatsächlich stellt sich den Präzisionsschützen das Problem, dass ihre Schüsse auf dem Weg zum Täter die Front- oder eine Seitenscheibe des Busses durchschlagen müssen und dadurch abgelenkt werden können. Man kann sich das in etwa so vorstellen wie einen Stein, der auf eine Wasseroberfläche aufschlägt und hüpft, wenn man ihn in einem bestimmten Winkel auf das Wasser wirft. Wird also das Geschoss in einem bestimmten Winkel auf eine Glasscheibe abgefeuert, so kann es zu Abweichungen der ursprünglichen Flugbahn kommen, was sich natürlich, je weiter sich das eigentliche Ziel dahinter befindet, umso gravierender auswirkt. 9 Jetzt, wo wir es augenscheinlich mit einem sprengstoffgespickten Bus zu tun haben, wollen wir uns gar nicht ausmalen, was alles passieren könnte, wenn einer unserer Schützen auf den Kopf des Täters feuert, den aber wegen der Abfälschung verfehlt … Ein Schuss, der beispielsweise auf den Kopf des Geiselnehmers abgefeuert wird, kann im ungünstigsten Fall sein Ziel durch die Abweichung des Geschosses verfehlen. In unserem Fall, bedingt durch die Bedrohung mit Sprengstoff, möglicherweise mit gravierenden Folgen.
    Andererseits stehen wir durch das irrationale Verhalten des Täters und wegen der Bedrohung von über zwanzig Geiseln auch unter einem enormen Handlungsdruck, von unserem persönlichen Handlungsdruck, den Menschen in dem Bus helfen zu wollen, einmal ganz abgesehen. Aber immerhin hat der Täter ja durch seinen beidhändigen Griff an das Lenkrad gerade unfreiwillig offenbart, dass er nicht über eine Totmannschaltung verfügt – zumindest ein positiver Aspekt in dieser sehr gefährlichen Situation.
    »Warum belegen wir den vorderen Teil des Busses nicht mit einem Feuerschlag aus mehreren Gewehren, wenn der Täter sich wieder vorn befindet?« Piet spricht mehr zu mir als in den Raum hinein, aber alle Anwesenden spitzen sofort die Ohren. Wir beide führen sowohl im Einsatz als auch während der Ausbildung häufig taktische Diskussionen; und wir haben auch beide den Hang, unkonventionelle Ideen voranzutreiben – beileibe nicht immer zur Freude unserer jeweiligen Vorgesetzten. Jetzt ergänze ich Piets Idee: »Nach dem Feuerschlag muss ein kleines Team in den Bus, um sicherzustellen, dass der Täter ausgeschaltet ist, und um zu checken, ob dort tatsächlich Sprengladungen angebracht wurden. In keinem Fall darf dort eine ganze Gruppe eingesetzt werden, denn wenn das Ding hochgeht, ist die ganze Gruppe weg …«
    Piet schaut mich an und nickt langsam mit dem Kopf, als plötzlich Hans, als verantwortlicher Einsatzleiter der Spezialeinheiten vor Ort, zu uns beiden sagt: »Hört sich gut an. Wir stehen unter Zeitdruck, da der Täter nicht berechenbar ist und sich äußerst aggressiv und irrational verhält. Ich möchte, dass ihr diese Zugriffsvariante weiter plant und dass eure ursprünglich vorgesehene Aufgabe so schnell wie möglich jemand anders übernimmt!«
    Piet und ich sind nicht weiter überrascht, denn Änderungen während einer laufenden Lage sind für uns nichts Ungewöhnliches. Inzwischen ist auch Jack in der Befehlsstelle eingetroffen und erhält ebenfalls einen völlig neuen Auftrag. Er soll sich in Zusammenarbeit mit Werner, unserem Polizeiarzt, um die Evakuierung und Versorgung der möglicherweise verletzten

Weitere Kostenlose Bücher