Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Sie eine Stunde gebraucht haben, um sich durchzusetzen«, sagt Oscar verärgert.
Nach und nach beruhigt sich das Chaos. Oscar macht vorne die Runde und bedient dabei die Illusion von einem Mann, der dies jeden Abend tut und nicht nur, wenn er Lust hat, sich zu zeigen, während ich hinten den Überblick behalte und Jean-Paul zu beruhigen versuche, der wütend ist, weil so wenig von seinem Meringen-Meisterwerk gegessen wurde. Als das erledigt ist, werfe ich einen Blick durch die Türen und sehe, dass Oscar neben Tallulah Platz genommen hat, Gläser nachschenkt und die Gäste mit Nachtisch versorgt. Er macht tatsächlich einen glücklichen Eindruck.
»Nimm dir ein Glas«, fordert er die vorbeikommende Lydia auf. »Johnny hat alles im Griff.«
Ich beobachte sie, wie sie sich in einen Stuhl setzt und ihre Schuhe abstreift. Ist es Absicht, dass sie gegenüber dem Jungen mit den langen Wimpern Platz genommen hat? Ein wenig betrübt entferne ich mich von der Tür. Tallulah dürfte recht haben, Oscar wird gar nicht wissen wollen, was sie so treibt. Das ist die beste Version seiner Familie, die er hat – eine Ex, die weiterhin ihren Einfluss auf sein Leben geltend machen möchte, und eine Tochter, die ihm das zeigt, was er sehen möchte. Bei dem Druck, unter dem er steht, verfügt er nicht über die emotionale Kapazität, sich mit einer komplizierteren Art von Wahrheit zu befassen. Darf ich diesen zerbrechlichen Frieden wirklich einem Flächenbombardement aussetzen? Ich werfe noch einen Blick auf diese Familie, in der jeder seine Rolle perfekt spielt. Ist die böse Stiefmutter wirklich die Rolle, für die ich geschaffen bin?
Ich trete zurück und lasse meinen Blick durch die Küche schweifen, um zu sehen, wo ich am dringendsten gebraucht werde. »Wie geht es Ihnen, Tomasz? Was glauben Sie, müssen wir ins Bestellbuch schreiben?«
»Auberginen, Zucchini, Paprika rot und grün und hoffentlich auch gelb, rote Zwiebeln, weiße Zwiebeln …«
»Amber?«, unterbricht Michelle mich dankenswerterweise. »Dort hinten ist jemand, der Sie sprechen möchte.«
»Wer?«
Aber schon, als ich die Frage ausspreche, weiß ich es. Obwohl ich es nicht wissen sollte.
»Sie haben die Leitung, bis ich zurück bin«, sage ich zu Michelle und zwinge meine zittrigen Beine, mich durch die Tür zu tragen.
Kapitel 12
Und da steht er, die Hände gefaltet, als bete er um einen Segen. Er sieht zu Boden, und ich frage mich, ob er probt, was er gleich sagen möchte. Ein ganz übler Gefühlsmix sprudelt in mir hoch, als ich Zeugin seines offensichtlichen Unbehagens werde. Einesteils freut es mich zu sehen, dass er wenigstens einen Bruchteil des Leidens durchmacht, das er mir zugemutet hat, aber der idiotische Teil von mir möchte ihn davon befreien, als wäre es noch immer meine Aufgabe, ihn vor jedem Schmerz zu bewahren, der seines Wegs kommt. In Freud und Leid: Denk immer dran, dass er es war, der das Leid gebracht hat. Ich bleibe stehen und beobachte ihn, weigere mich, diejenige zu sein, die das Wort ergreift.
»Danke, dass du rausgekommen bist«, sagt er leise und hält meinen Blick fest, ohne jeden Versuch, sich mir zu nähern.
»Ich brauchte etwas frische Luft.«
Es folgt eine Pause, in der wir einander anstarren und abschätzen. Vielleicht sollte ich einfach nach Hause gehen und diese verdammten Formulare unterschreiben, anstatt noch mehr emotionale Energie an ihn zu verschwenden. Aber ich tue es nicht.
»Danke, dass du mir keine Ohrfeige gibst«, fügt er hinzu und hält dabei seinen Kopf schief in der Hoffnung, ein Lächeln zu ernten.
»Mein rechter Haken ist nicht mehr das, was er mal war.« Ich werde nicht zulassen, dass er sich mit Scherzen aus der Schlinge zieht. »Was machst du hier eigentlich, Dom? Es ist schon schlimm genug, dass du dieses abscheuliche Weib hierher an meinen Arbeitsplatz gebracht hast, da brauchst du nicht auch noch zurückzukommen und mir aufzulauern. Verpiss dich und leg los mit deinem schönen neuen Leben, erspar mir einfach die Details.«
»Ich habe dir seit zwei Wochen eine SMS nach der anderen geschickt, sogar versucht, dich anzurufen. Nichts.« Das dürfte daran liegen, dass mein Telefon im Geschirrspüler gelandet ist, aber das erzähle ich ihm nicht. »Ich kann diese verdammten Papiere nicht unterschreiben, ohne … ohne dass wir miteinander gesprochen haben.«
»Wüsste nicht, was es viel zu besprechen gibt. Du hast jemand anderen kennengelernt, wir haben uns getrennt, du bist mit ihr zusammen.
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