Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
eine große Show ab, indem er auf seine Uhr schaut –, »fünf Minuten auf Sarkasmus verzichten? Ich weiß, dass du mich nirgendwo hinbegleiten wirst, aber können wir uns wenigstens auf eine Bank setzen?«
Es ist eiskalt, aber ich setze mich doch ans andere Ende und ziehe den Mantel fest und bedauere, keine Thermo-Kochklamotten zu haben. Fast beneide ich Dom um seinen Dufflecoat, trotz drohender Unterkühlung halte ich allerdings an meinen Standards fest. Außerdem spüre ich nicht allein die Kälte, sondern kalte Angst. Selbstgerechte Wut hat mich warm gehalten, aber ich bin ihrer offen gestanden überdrüssig, bin die Tricks und Witzeleien leid. Ich sehe ihn mir an, wie er neben mir sitzt, die Strickbündchen über seine langen knochigen Finger gezogen – ihr Anblick hat etwas so Verletzliches. Diese Hände haben meinen ganzen Körper erforscht, das Lenkrad unserer diversen Schrottautos gehalten, eine Million Tassen Tee umfasst (schwarz, ein Zuckerwürfel).
»Weißt du, Amber, ich bin das Arschloch, das wissen wir beide. Es ist nur …« Er zögert und schaut ins Leere. »Ich hatte das Gefühl, dich verloren zu haben. Als hätte die Arbeit dich ganz aufgesogen.«
»Ach nicht doch, du Armer hattest keinen Fünfzigerjahre-Atavismus zu Hause, der dir deine Hemden bügelte und dein Happi-Happi kochte, damit du dich außerhäuslich vergnügen konntest?« Wieder denke ich an Oscar und den Mut, den er mir macht, wenn er nicht herumbrüllt. Er gibt mir nicht das Gefühl, wegen meines Ehrgeizes Gewissensbisse haben zu müssen.
»Das meine ich doch nicht. Ich arbeite hart, diese Jobs sind hart. Es ging dabei nicht nur um die vielen Stunden, Amber. Manchmal glaube ich, du versteckst dich dahinter, dass es zu einfach ist für dich.«
»Es ist nicht einfach!«
»Doch, das ist es. Du bist eine ganz hervorragende Köchin, das warst du immer.« Er streckt seine Hand über die Bank hinweg aus, überlegt es sich dann aber anders. »Bitte versteh das nicht falsch.« Mein Gott, wie ich das hasse, wenn Leute das sagen. Ich sitze hier und zittere und warte auf das Erschießungskommando. »Wie soll ich das ausdrücken?« Er kaut auf seiner Unterlippe, wie er das immer tut, wenn er was richtig gut machen möchte.
»Spuck’s einfach aus!« Mein Magen hat sich verknotet.
»Du wirst immer ganz oben sein, eine Legende deiner eigenen Mittagspause. Und einer der Gründe, warum du so verdammt brillant bist, ist der, dass du dir das selbst nicht eingestehen kannst, du treibst dich ständig an, besser zu werden, die Beste zu sein. Und das liebe ich an dir, deine Entschlossenheit. Aber der Rest des Lebens ist nicht so, oder? Da herrscht mehr Durcheinander. Und du hasst Durcheinander.«
Ich schnappe nicht gleich nach ihm. Ich verweile eine Sekunde und lasse den ungebetenen Nachhall der Wahrheit auf mich wirken. Er lächelt entschuldigend.
»Woher hast du diesen Mantel?«, sage ich in meiner Verzweiflung, das Thema zu wechseln, wenn auch nur vorübergehend. »Der ist so nuttig.«
»Das ist das Netteste, was du je zu mir gesagt hast.«
»Vergiss es.«
Es folgt eine Pause, die nur vom Klappern meiner Zähne unterbrochen wird.
»Es ist doch nichts Schlechtes, sich Mühe zu geben«, sage ich. »Ich habe mir auch mit dir Mühe gegeben.«
»Ich weiß, ich weiß, dass du das getan hast«, entgegnet er mit weicher Stimme.
Jetzt gibt es kein Halten mehr, die Tränen fließen unkontrolliert. Er weiß, dass ich mich bemüht habe, wie gern ich ihn hatte, und doch war es nicht genug. Was ließ mich in seinen Augen so falsch aussehen, seiner Liebe so unwürdig? Er legt seine Arme um mich, und ich habe nicht genügend Kampfgeist, sie abzuschütteln.
»Warum war dir das nicht genug? Warum war ich dir nicht genug?«
»Ich weiß, dass du mich gernhattest, natürlich weiß ich das. Aber es war, als könntest du mich nicht mehr hören, als wolltest du mir nicht mehr ins Gesicht sehen. Mein Job … weltbewegend ist der wohl nicht? Ob ein Fußballer einen Platz am Fenster bekommt oder nicht? Ich glaube, ich hatte eine armselige beschissene vorzeitige Midlifecrisis.«
Ich denke an unseren letzten Urlaub, eine mühsam ergatterte Woche Sizilien. Er war stiller als normal, keine Frage, aber ich dachte, es läge daran, dass er genauso erschöpft war wie ich. Ich hätte nachhaken müssen. Ich hätte wissen müssen, dass mehr dahintersteckte. Vielleicht hatte ich Angst, Angst davor, dass ich Antworten bekäme, wenn er zu reden anfinge.
»Glaubst du allen
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