Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Ernstes, ich hätte dich verlassen, wenn du deinen Job gewechselt hättest? Für was für ein Monster hältst du mich? Ich hätte dich auch geliebt, wenn du Klos sauber gemacht hättest, Dom.«
Er hält wieder inne und seufzt. »Ich bin mir sicher, dass das der Wahrheit entspricht, und du bist das Gegenteil von einem Monster.« Wieder folgt eine endlose Pause, während der er offenbar herauszufinden versucht, was das Gegenteil von einem Monster ist. »Ich habe nicht genug mit dir gesprochen«, fährt er fort. »Wir hatten immer diesen Traum, dieses Restaurant. Du wolltest immer das hier.« Dabei zeigt er auf das Ghusto, das über uns in der Dunkelheit aufragt. »Und den wollte ich dir auch nicht nehmen. Ich glaubte, wenn ich dir diesen Traum nähme, käme dies einem Verrat gleich, und wozu? Schließlich hatte ich keinen Plan B in der Hinterhand.«
»Du willst damit jetzt aber nicht sagen, dass du eine Affäre hattest, weil dir dein Job nicht mehr gefiel?«
»Hör zu, Amber!«, sagt Dom und zieht sich mit geballten Fäusten zurück. »Sei nicht immer so herablassend. Es wurde wohl immer verzwickter, sodass ich darüber nicht mehr reden konnte. Ich begann mir darüber klar zu werden, wie sehr ich dich immer beschützt habe und dir Verletzungen ersparen wollte.«
»Ja, das ist dir übrigens ausgezeichnet gelungen.«
Er zuckt reumütig die Schultern. Touché.
»Du willst dir doch nicht mal die Nachrichten ansehen, Amber. Du erträgst nichts, was zu schmerzhaft, zu entsetzlich ist.« Das stimmt. Trotz der Tatsache, dass mein Arbeitsumfeld einem Kriegsgebiet gleicht, ertrage ich es nicht, von tatsächlichen Kriegsgebieten zu hören. »Du fragst immer wieder, was du falsch gemacht hast, aber so habe ich es empfunden. Dass ich dich am Ende wirklich enttäuschen würde oder das Leben dich enttäuschen würde und du damit nicht klarkommen würdest. Also hörte ich auf, aufrichtig zu sein, hörte auf, dir die Wahrheit zu sagen. Und da setzte der Fäulnisprozess ein.«
Ich muss wieder an jenen Urlaub denken, an ein Abendessen. Es war eine Familientrattoria, wo es die perfekte Pasta für ganz wenig Geld gab und ein älteres Paar wohlwollend sein Auge über das von ihnen geschaffene Idyll schweifen ließ. Es gefiel mir, es gefiel mir ausnehmend gut, doch ich spürte, wie er sich distanzierte, hatte das Gefühl, dass er mich nur bei Laune hielt. Ich war frustriert und ärgerte mich, dass er was für sich behielt, aber vielleicht ließ ich ihm auch keine andere Wahl. War ich etwa eine stille Tyrannin, die diktierte, was gesagt werden durfte und was nicht? Eine Träne rollt über meine Wange.
»Du warst einsam«, sage ich. »Das Zusammensein mit mir hat dich einsam gemacht.«
»Ja, das war ich. Aber es ist keine Entschuldigung.« Dom legt seinen Arm jetzt richtig um mich und rückt an mich heran. »Ich habe alles drangesetzt, dich nicht zu enttäuschen, aber das Blöde an der ganzen Sache ist, dass ich dich am Ende dann richtig enttäuscht habe. Dafür hasse ich mich am allermeisten. Du fragtest mich, wieso ich das Schlimmste, was du dir vorstellen konntest, getan habe, und ich glaube, dass irgendwo in meinem verdammten Unterbewussten genau dies der Grund dafür ist, warum ich es getan habe. Ergibt das irgendeinen Sinn für dich?«
Ich antworte nicht. Ich sehe ihn nur an und versuche die Flut der Antworten auf die Fragen, die ich mir selbst gestellt habe, zu verarbeiten.
»Wie in dem Experiment, wo man den Leuten sagt, sie dürfen nicht an einen weißen Bären denken, aber alles, woran sie denken können, ist ein weißer Bär. Ich wusste, dass es das Schlimmste war, das Allerschlimmste …« Er hält inne und ist weit weg mit seinen Augen. »Wie sehr du mich jetzt auch hassen magst, Amber, ich versichere dir, ich hasse mich mehr. Und das ist auch der Grund, weshalb ich mich für längere Zeit niemand anderem aufdrängen werde.«
Und da fange ich wirklich zu schluchzen an. Ein schmerzhaftes Schluchzen, das aus noch viel tieferen Schichten kommt.
»Du solltest mit deiner Mutter sprechen«, sagt er leise.
»Ich weiß, dass ich das tun sollte«, sage ich und drücke mein feuchtes Gesicht an die blaue Wolle seiner Jacke, um gleich darauf schuldbewusst einen Rückzieher zu machen. »Haben wir einfach nur zu jung geheiratet?«
Er lässt sich Zeit mit seiner Antwort, und ich spüre das Ein und Aus seines Atems, das seine Gedanken begleitet. »Vielleicht hatten wir dadurch, dass wir verheiratet waren, viel mehr zu verlieren«,
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