Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
finsteren Blick zu, ehe sie sich wieder der Analyse eines Mädchens namens Martha zuwendet, das »die schlimmste Cellulitis der gesamten Oberstufe hat«.
»Nein, von ganz London!«, ergänzt eine boshaft dreinblickende Blondine, worauf alle hysterisch loskichern.
Die arme Martha, der Anblick meiner Satteltaschen würde sie bestimmt aufmuntern. Meine Mum ließ derart ungerührte Boshaftigkeit niemals durchgehen, aber Lydia verliert kein Wort darüber und fordert Matt gebieterisch auf, ihr nachzuschenken.
»Wie kommen Sie mit Ihrer Anstellung hier zurecht?«, erkundigt sie sich. Meine Gedanken überschlagen sich. Selbst wenn sie nicht darüber Bescheid wissen sollte, dass Oscar und ich zusammen sind, so dürfte sie auf jeden Fall von Millys Finanzspritze erfahren haben, oder hat Oscar diese als einen zufälligen Freundschaftsdienst eines geheimen Millionärs ausgegeben?
»Es gefällt mir.« Lydia sieht mich an und forscht nicht weiter nach. »Ich liebe die Arbeit hier. Sie müssen … Sie müssen sehr stolz sein.«
Als ich dies sage, gerät etwas in mir ins Wanken angesichts der unwiderlegbaren Wahrheit dieser Behauptung. Das Ghusto gehört ihr, gleichermaßen im Geiste wie in der Praxis. Ich brauche die beiden nur zu beobachten, um zu sehen, wie wichtig es ihm ist zu wissen, dass sie vorne die Stellung hält, damit er hinten zaubern kann. Ich denke an Dom und meinen dringenden Wunsch, Privates und Arbeit zu einem alles umfassenden Leben zu vereinen, einer Decke, in der wir uns einwickeln konnten. Er mag recht damit gehabt haben, dies nicht zu wollen, doch dies bedeutet nicht, dass ich meinem auf dem Müll gelandeten Traum nicht noch immer nachtrauere.
Einen Moment lang verweile ich und koste den Geschmack der Trauer. Er ist sehr lebendig und macht mir bewusst, dass ich durch die ständige Hetze nicht mehr zu mir komme, ich mich durch Handeln und nicht durch Sein definiere. Und auf einmal fühle ich mit Dom. Er mag sich wie ein absoluter Idiot benommen haben, aber er dürfte gewusst haben, wie traurig mich der Abschied von Ambers fantastischem Paradies machen würde, und es ist ihm bestimmt schwergefallen, mir diesen Schlag zu versetzen. Ich hätte es jedenfalls nicht ertragen, ihm etwas derart Kostbares wegzunehmen – wenngleich ihm das in seinen dunkleren Stunden vielleicht so vorkommen mag.
»Das bin ich«, meint Lydia zögernd mit anmutigem Lächeln. »Und wie kommen Sie mit dem Aufstieg zurecht?«
»Ich war davor schon Sous …«
Sie fällt mir ins Wort. »Ich meinte den Eintritt in die Oberliga.«
Herablassende Kuh. »Ich glaube, ich mache das ganz gut. Oscar, sind Sie zufrieden mit mir?« Ich hätte nicht anbeißen dürfen.
»Sehr zufrieden«, sagt er und sieht mir dabei sogar eine Sekunde lang tief in die Augen. Darauf folgt Schweigen, das eine Ewigkeit anzuhalten scheint.
»Hat dein Abend dir gefallen, Tallulah?«, frage ich, nur damit sie einen Eindruck von meiner Verzweiflung bekommen.
Sie dreht langsam ihren Kopf herum und schaut mich so verdutzt an, als hätte ich sie um eine Lösung für den Weltfrieden gebeten. »Äh, ja.«
»Ein wenig mehr Dankbarkeit könnte nicht schaden«, meint Oscar.
»Es war fabelhaft, Daddy«, sagt Tallulah folgsam, und er streift sie mit einem Lächeln.
Die beiden sind sehr gut aufeinander eingespielt, die Beziehung ähnelt fast einem Arbeitsverhältnis: Tallulah bekommt reichlich Taschengeld; Oscar kriegt einen lächelnden Sprössling, der ihm seine von Arbeitswut bestimmte Unerreichbarkeit nicht vorwirft. Ich muss schlucken, weil ich das plötzliche Bedürfnis verspüre, auf der Stelle meinen Dad anzurufen, obwohl er immer schon kurz nach den Spätnachrichten im Bett liegt. Ich spüle mit einem kräftigen Schluck nach.
»Nicht schlecht, oder?«, meint Oscar. Er ist wirklich nicht übel. Gewöhnen kann ich mich an solche Weine allerdings nicht, denn meistens lässt mein armseliger Lohn mich zum tschechischen Rioja aus dem Eckladen greifen. Um mich bei Oscar nicht zum Gespött zu machen, musste ich für den Wein, den ich ihm zum Abendessen kredenzt habe, einen halben Wochenlohn hinlegen.
»Gar nicht übel«, sage ich und halte den Blickkontakt so kurz wie möglich. Sie vermutet es mit Sicherheit – ich würde es vermuten. Warum macht er das?
»Du siehst aus, als sollte man dir noch mal nachschenken«, sagt Oscar zu Lydia und winkt dem hassenswerten Nutkins. »Oi, Matti-Junge, haben wir eine Weindürre?«
Matt kommt herbeigeeilt, aufmerksam beobachtet von
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