Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
mit belegter Stimme, »ich werde immer dein Freund sein. Und wenn du in Schwierigkeiten bist, bin ich immer für dich da.«
Das zu wissen erleichtert mich zutiefst, doch meine Gefühle bleiben gemischt. Wie ich es auch drehe und wende, ich muss ihm einfach wehtun. »Auch wenn du als Sextourist mit grauem Bart unterwegs bist?«
»Selbst dann.«
Ich lächele ihn an und mache einen Schritt auf ihn zu, um ihn zu umarmen und ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, erwachsen, wie wir waren, aber ehe ich weiß, wie mir geschieht, küssen wir uns richtig. Wer damit angefangen hat, könnte ich nicht beschwören, doch ich verliere mich völlig in diesem Kuss. Sein Mund ist mir so vertraut, ebenso sein Geruch, der sich in mir eingegraben hat. Er zieht sich zurück und bringt mich schlagartig zu mir zurück. Was habe ich bloß getan?
»Sorry«, sagt er, »ich wollte nicht …«
»Ist schon okay«, erwidere ich nervös. »Ich sollte nicht hier sein.«
Wie konnte ich Oscar das antun? Unfassbar, wie konnte ich nur losziehen und das gleiche Verbrechen begehen, über das ich mich monatelang selbstgerecht geärgert habe? Okay, ein Kuss zählt nur ein Hundertstel von einer Nummer (ich glaube, wir haben bereits festgestellt, wie gut ich in Liebesmathematik bin), aber ich befürchte, dass dieser Kuss ein noch größerer Betrug ist. Nicht im krassen körperlichen Sinn von sich windenden Körpern und abgestreifter Unterwäsche, sondern eher im Sinne seiner reinen schlichten Intimität.
Entschlossen, mich nicht umzudrehen, mache ich mich auf den Rückweg ins Restaurant und hoffe dabei, dass mein Herz aufhören wird, wie ein in einer winzigen Schachtel gefangener Vogel zu flattern.
Kapitel 13
Am liebsten möchte ich jetzt sofort aufbrechen und meinem Team das Aufräumen überlassen, doch meine Schlüssel liegen in meinem Spind. Michelle kommt auf mich zugeeilt, sobald ich durch die Tür bin.
»Alles in Ordnung mit Ihnen? Oscar hat nach Ihnen gefragt, aber ich sagte ihm, ich wüsste nicht, wohin Sie gegangen sind.« Oscar. »Ihnen geht es nicht gut, nicht wahr?«, sagt sie und umarmt mich, was ich mehr als nötig habe. »Sie zittern ja, meine Liebe.«
»Mir geht es gut, ehrlich«, erwidere ich und versuche mich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Ist er noch immer da draußen?«, frage ich. Sie nickt. »Okay«, sage ich und hole tief Luft. Das Dumme ist nur, wäre die letzte Stunde nicht gewesen, wäre ich womöglich ohne einen Gutenachtgruß einfach verschwunden und hätte es mir erspart, mich seiner allzu präsenten Familie auszusetzen. Aber da ich nun nur wenige Meter von ihm entfernt meinen noch-nicht-ganz Ex-Mann geküsst hatte, käme ich mir wie eine Verräterin vor. Nach all meinem frömmlerischen Getue wegen Dom stehe ich jetzt am Ufer und bin bereit, den ersten Stein der Unwahrheit zu werfen und meine neue Beziehung damit aufzuwühlen.
Ich spähe durch die Doppeltür und hoffe, ihn auf mich aufmerksam machen zu können. Direkt neben ihm, zu seiner Linken, sitzt Lydia, während Tallulah und ein Nachzüglertrio am anderen Ende des Tisches eine Flasche Wein nach der anderen trinken. Er entdeckt mich, und ich versuche, mich mit einem klitzekleinen Winken davonzustehlen.
»Amber!«, dröhnt er grinsend. Das ist höchstunangemessen, aber mir gefällt seine Offenherzigkeit dennoch. Beschämt schaue ich zu Boden. »Holen Sie sich einen Stuhl und kosten Sie den hier.« Auf seinen Wink hin wird eine Flasche Rotwein gebracht, dessen modrig-staubiges Äußeres superteuer signalisiert. »Matt wird Ihnen sagen, wie köstlich der ist.«
Er sollte Lydia und mich so weit wie menschlich möglich auseinanderhalten. Sollte sie, ich meine, wenn sie dahinterkommt, wäre dieses Ereignis bestens dazu geeignet, ihre Wut zu schüren (vertrauen Sie mir, ich bin Expertin auf diesem Gebiet).
»Der ist ein Blender, Boss«, sagt Matt schleimig und schenkt ein Glas voll. Ein Glas, das sich direkt neben Lydias Platz befindet. Da kommt Freude auf. Eine Sekunde lang sucht mich Doms vernichtendes Urteil erneut heim. Wäre es nicht denkbar, dass die beiden vornehme Swinger sind, die sich hinter ihren Fächern über ihre neueste Eroberung kaputtlachen? Ich versuche Lydia ein Lächeln zuzuwerfen, aber meine Oberlippe bleibt hängen, und so sehe ich eher aus wie ein mürrisches Pferd, das seine Zähne bleckt. Ich setze mich auf den Stuhl und murmele, während ich an den Tisch heranrücke, nur eine Minute bleiben zu wollen. Tallulah wirft mir einen kurzen
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