Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
einzieht oder … oder schlimmer.«
Da hat sie natürlich recht. Wäre er aufgekreuzt, um sein Gewissen zu beruhigen, bevor er zum zweiten Mal heiratete, wäre ich außer mir gewesen.
»Das weiß ich, aber, Milly, er hat sie geliebt. Das war nicht nur ein ordinärer Fick, er hat sie tatsächlich geliebt.«
»Das weißt du nicht.«
»Ich weiß es doch.« Und ich wusste es. Doch man kann jemandem, der nicht über ein Jahrzehnt mit ein und demselben Menschen zusammengelebt, geatmet und gepupst hat, nicht erklären, dass man solche Dinge einfach wissen kann.
»Und du liebst Oscar.«
»Ja.«
»Der reizende Oscar«, ergänzt Milly, bevor ich Gelegenheit habe, ihr verständlich zu machen, wie verwirrend es ist, womöglich zwei Menschen gleichzeitig lieben zu können, selbst wenn die eine Version der Liebe mehr nach Trauer mit einem Schuss Wut schmeckt. »Ich komme morgen übrigens vorbei«, ergänzt sie.
»Tatsächlich?!«
»Ja, Oscar geht mit mir seinen Geschäftsplan für die nächsten achtzehn Monate durch.« Sie hält inne. »Das ist doch nicht zu abwegig, oder? Schließlich werde ich ihm jetzt wirklich aus der Klemme helfen, also muss ich auch verstehen, was er tut.«
Natürlich ist es abwegig. Es ist bizarr.
»Nein, nein, ist schon gut. Es ist ganz toll von dir, dass du das machst.«
»Amber?«, hakt Milly nach, obwohl sie sich schon sehr schläfrig anhört. »Was glaubst du, ist der tatsächliche Grund dafür, dass Dom heute Abend vorbeigekommen ist?«
Ich muss an diesen Kuss denken und fühle mich im Dunkeln erröten. Dass ich es getan habe, ist mir noch immer unerklärlich. Milly ist meine beste Freundin, und doch kann ich es ihr nicht erzählen. Nicht jetzt, da ich schließlich ihren Geschäftspartner betrüge.
»Um sein Gewissen zu beruhigen? Einen Schlussstrich zu ziehen?« Mir fallen die Papiere wieder ein, die unter meinem Bett liegen. Ich bin froh, heute Abend nicht über ihnen schlafen zu müssen.
»Schlussstrich? Er ist nicht Oprah.«
»Da hast du recht, er ist auf keinen Fall eine schwarze Frau mittleren Alters.«
Und nachdem wir dieses verzwickte Problem zur Zufriedenheit gelöst haben, schläft Milly wieder ein. Im Unterschied zu mir.
Ich stehle mich aus dem Bett, wo Millys schniefende Schnarchlaute, die sie unter ihrer Samtmaske produziert, mir verraten, dass sie noch im Tiefschlaf ist. Ich halte einen Moment lang inne und sehe sie an und sage mir, dass Investieren doch so viel leichter ist als die wirkliche Maloche. Diese Spur darf ich gar nicht weiterverfolgen … Auf dem Weg zur Arbeit wirbeln mir noch immer Doms Worte durch den Kopf. Arbeit: Vielleicht ist es ja wirklich nur ein Wort mit sechs Buchstaben. Ich hatte nie gedacht, ihretwegen alles zu verlieren. Sollten Oscar und ich wirklich eine Chance haben, dann muss ich dafür sorgen, dass wir nicht in dieselbe Falle tappen, und das bedeutet auf jeden Fall, dass ich ihm von Tallulah erzählen muss. Vom Kuss braucht er nichts zu erfahren, auch nicht, dass Dom vorbeigekommen ist, das würde ihm nur wehtun, doch er muss erfahren, was er nicht sieht, weil er viel zu hektisch ist. Allein beim Gedanken daran verkrampft sich mein Magen. Keinesfalls habe ich vor, mich zu sehr in sein kompliziertes Familienleben einzumischen, aber wie kann ich ihm meine Liebe bekennen und ihn gleichzeitig die gleichen Fehler machen lassen, die ich gemacht habe? Prioritäten, Leute.
Als ich eintreffe, schreitet er die Küche ab wie ein Löwe und stößt dabei seltsame Knurrlaute aus. »Endlich!«, sagt er, obwohl ich ganz pünktlich komme. Sein Gesicht erzählt mir ärgerlicherweise eine andere Geschichte. Er wirkt fast nachdenklich, als wäre er sich meiner nicht mehr sicher. Genau das ist das Problem mit Geheimnissen und Lügen – sie vergiften den Brunnen, ehe man es merkt. Selbst wenn er nicht weiß, weshalb er gereizt ist, und er sein Gefühl nicht hätte in Worte fassen können, hat ein animalischer Teil von ihm bereits erkannt, dass etwas nicht stimmt.
»Kann ich Sie sprechen?«, sage ich und höre dann erst meinen Tonfall – viel zu intim, wenn Michelle und Tomasz in Hörweite sind. »Wegen unserer Gemüselieferanten?«
Tomasz lächelt in stiller Zufriedenheit, während ich auf den vorhersehbaren Ausbruch über anämische Trottel warte, der jedoch ausbleibt.
»Okay, sollen wir ins Büro gehen?«
Ich folge ihm und bin mir der Blicke durchaus bewusst, die Michelle mir in den Rücken bohrt. Sie ist nicht blöd, und ich vermute, dass ich es ihr
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