Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
»Es ist nur, ich weiß nicht, wenn ihr auch was wie Spaghetti Bolognese für Leute anbieten würdet, die diese extravaganten Sachen eher nicht mögen. Die sauer eingelegten Gehirne und so weiter …«
»Oscar legt keine Gehirne ein, er ist nicht Frankenstein. Und außerdem wäre die Speisekarte dann nicht mehr aus einem Guss.«
»Ich übertreibe natürlich«, sagt Milly und wedelt mit der Hand. »Aber du weißt, was ich meine.«
Nein, weiß ich nicht. Tief durchatmen.
»Ich könnte mir vorstellen, dass er heute andere Dinge im Kopf hat. Tallulah hat uns gestern Abend überrascht.«
»Neieiein!«, ruft Milly entsetzt. Wir bewegen uns wieder in den gewohnten Bahnen.
»O Gott, nicht dabei überrascht«, sage ich, »aber sie weiß Bescheid.«
Ich fasse für sie die Höhepunkte beider Auseinandersetzungen zusammen, wobei mir klar wird, dass die einzige Retford, die mich gestern Abend nicht angebrüllt hat, Lydia war. Und etwas sagt mir, dass der heutige Tag dem Ganzen noch die Krone aufsetzen wird.
»Ach, Amber, was für ein Albtraum«, sagt sie.
»Es musste so kommen. Ich meine, es ist ein Albtraum, aber die Person, für die das wirklich zutrifft, ist Tallulah. Sie zu mögen ist wirklich nicht einfach.« Mir wird ganz angst und bange, wenn ich mir vorstelle, wie ich mich immer wieder um ihre Gunst bemühen muss. Was mache ich, wenn ich nicht genug orangefarbene Gewänder habe und wieder aufgeschmissen bin, weil sich herausstellt, dass ich doch nicht genug Gutes in mir trage? »Aber sie tut mir dennoch unendlich leid. Es muss sich für sie wie das Ende ihrer Kindheit anfühlen.«
»Gehst du da nicht zu hart mit dir ins Gericht? Sie ist sechzehn, da ist die Kindheit doch wohl ohnehin schon vorbei, oder?«
»Ich weiß, was du meinst, aber es ist das Ende dessen, was sie sich erträumt hat. Ihre Mum und ihr Dad wieder zusammen – obwohl ihr die Trennung natürlich bewusst war, dürfte sie diese viel realer erfahren haben, als sie ihn halbnackt mit einer anderen Frau sah.« Mich schaudert; keiner stellt sich die Eltern gern als sexuelle Wesen vor, geschweige denn als sexuelle Wesen mit einer dritten Person. Wer wüsste das besser als ich.
»Ich verstehe dich, aber ich denke dennoch, dass es für dich ein Albtraum sein muss, mit alldem klarzukommen.« Milly sieht mich mit banger Miene an. »Aber wenn jemand das schaffen kann, dann du! Du bist hart im Nehmen, Amber, überleg nur, wie du deine Scheidung gemeistert hast. Und du und Oscar, ihr liebt einander. Die Liebe überwindet alles und so!«
Milly erhebt mit einem strahlenden Lächeln ihre Kaffeetasse, um mit mir auf diese fröhliche Tatsache anzustoßen, und ich proste mir innerlich zu und versuche mir Mut zu machen für alles, was noch kommen mag.
Als mein Telefon beharrlich schweigt, nehme ich mir vor, mich nicht von Paranoia auffressen zu lassen. Stattdessen nutze ich das Adrenalin, um meine hoffnungslose Suche fortzusetzen. Es ist so schwer, anhand einer Website ein Gefühl zu entwickeln, und kein Koch, der sein Geld wert ist, wird seinen wertvollen Lieferanten verraten. Als ich gerade eine Art von Schweine-Strafanstalt im tiefsten Norfolk anrufe, platzt Milly in mein Zimmer.
»Geronimo!«, schreit sie.
»Was?«
»Jack Foster-Cuthbert. Sein Vater ging mit meinem Vater zur Schule. Er hat sich pflichtschuldig ein paar Jahre lang in der City abgemüht, bevor er alles hinwarf und sich der Tierhaltung widmete. Einfach war es nicht, aber das könnte uns eher zugutekommen, weil er sicherlich verhandlungswillig sein wird.« Sie tippt sich auf ganz merkwürdige Weise an die Nase, als wäre sie eine besonders vergeistigte Intellektuelle. »Ich habe ihn gerade angerufen. Wir können gleich mit dem Clio dorthin flitzen.«
»Wow. Danke, Milly!«
Ein bisschen nervös bin ich ehrlich gesagt schon. Wenn das nun eine Spur ist, die nichts taugt, und ich mich dann aus der Affäre ziehen muss, ohne Milly tödlich zu beleidigen? Aber als wir uns seine Website angesehen haben, bin ich gleich viel optimistischer. Wir gehen sie gerade gemeinsam durch, als Oscar sich endlich bequemt anzurufen. Ich greife so schnell nach dem Telefon, dass es mir regelrecht ans Ohr springt.
»Was ist passiert?«, frage ich. Ich höre das Klicken seines Feuerzeugs und dann seine armen missbrauchten Lungen, die einen tiefen Zug nehmen. Dieser scheint eine Ewigkeit zu dauern.
»Wir haben das Ziel erreicht«, sagt er. »Tut mir leid, dass du derart beschimpft wurdest.«
Was für eine
Weitere Kostenlose Bücher