Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
sollte.«
»Das ist ziemlich viel verlangt, Oscar! Sie ist gerade dabei, sich mit eurer Schei… Trennung abzufinden. Habt ihr eigentlich vor, euch richtig scheiden zu lassen?« Diesen Gedanken kann ich nicht mehr länger für mich behalten.
»Ja, ich denke schon. Aber nichts überstürzen.«
»Es ist nur … ich komme mir immer ein wenig so vor, als hätten wir eine Affäre, auch wenn dem nicht so ist.«
Lydia. Er hat mich Lydia genannt.
»Könnte das nicht vielleicht auch ein wenig prickelnd sein?«, fragt er mit schief gelegtem Kopf.
»Leider finde ich Affären überhaupt nicht prickelnd«, sage ich und höre mich jämmerlich frömmelnd an. Ich hatte mal beiläufig erwähnt, dass eine Affäre meine Ehe beendet hatte, aber panische Angst davor, ins Detail zu gehen – Angst, dass ich zusammenbrechen und Rotz und Wasser heulen würde. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er sich daran erinnert, denn ich glaube, ich habe dabei fröhlich meinen BH in die Luft geworfen, um zu beweisen, wie wenig mir das ausmachte. »Ich, ich weiß nicht, ich kämpfe noch damit.«
»Du bist auch noch nicht geschieden.«
»Aber fast«, murmele ich und sehe dabei diese nervtötenden Papiere vor mir, wie sie aufspringen und wie irre zu tanzen anfangen. »Unterschreib mich, unterschreib mich«, singen sie, womöglich zur Melodie von Call me von Blondie.
»Fast ist nicht geschieden«, erwidert Oscar selbstgefällig. »Wir reden wieder, wenn du es bist. Außerdem«, sagt er und grinst mich an, »was soll die Panik? Ist das die Fischmädchenversion eines Heiratsantrags?«
»Nein«, blaffe ich zurück, ein wenig zu schnell.
»Da bin ich aber froh, dass wir das klargestellt haben«, erwidert er und vertieft sich wieder in seinen BlackBerry.
Macht er sich wohl lustig über mich? Habe ich seine Gefühle verletzt? Hält er mich etwa für eine hysterische Zicke, der jedes Mittel recht ist, um ihr Ziel zu erreichen? Wie steht er zu einem zweiten Versuch? Das zu fragen ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, aber wann ist der schon? Vielleicht sollte ich versuchen, ihn mal für ein paar Tage wegzulocken, anstatt als Erstes zu meinen Eltern zu fahren. Nein, mein Zuhause ist zu wichtig und verträgt keine weiteren Aufschübe.
»Und was geschah dann?«
»Was?«, fragt er zerstreut.
»Mit Tallulah?«
»Sie hat sich beruhigt und mir recht gegeben, dass sie sich in der Schule mehr anstrengen müsste. Ich versprach ihr ein Wochenende im Mercer in New York, wenn sie ihr Fachabitur anständig hinbekommt.« Ich möchte mit ihm ins Mercer! Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber es hört sich fabelhaft an. »Wir haben uns geeinigt. Sie ist meine Prinzessin, das weiß sie. Sie ist nur ein wenig zu gefühlvoll – kann mir gar nicht vorstellen, von wem sie das hat.« Er grinst und wartet darauf, dass ich unter der bloßen Wattleistung seines Lächelns dahinschmelze. Ich mobilisiere meine Widerstandskräfte.
»Und was hat Lydia gesagt?«, bohre ich weiter, bemüht, nicht jämmerlich zu klingen, doch er widmet sich bereits wieder seinen E-Mails.
»Ja, alles ist gut. Sie meinte, ich hätte meinen Horizont erweitern und mich außerhalb meiner Küche umsehen sollen, aber sie kommt damit klar.«
Ich könnte schreien vor Frust. »Was hat sie denn nun gesagt? Wort für Wort?«
»Ich sage dir doch, das war’s im Grunde genommen. Nun komm schon, Fischmädchen, lass uns gehen und den Bauern aufsuchen. Wir müssen wieder zurück«, sagt er und geht auf den Hof zu. Ich eile ihm wie immer hinterher, meine Schuhe bahnen sich platschend einen Weg durch den Matsch. Seine abgewetzten Lederhalbschuhe sind natürlich bestens geeignet, ihrem abgetragenen Chic kann eine weitere Schmutzschicht nichts anhaben.
Jack ist Bauer aus Leidenschaft, das wird einem klar, sobald man ihm begegnet. Er ist von Kopf bis Fuß mit Matsch bespritzt, der Dreck sitzt in seinen Fingernägeln, sprenkelt sein Gesicht und überzieht seine Jeans wie eine Leinwand von Jackson Pollock. Er ist nicht viel älter als Milly und ich, aber er hat was Altersloses, als würde der Hof die Zeit vergessen lassen. Angestrengt und ernsthaft betrachtet er uns durch seine Nickelbrille, als könnte er seine Begeisterung kaum im Zaum halten. Sein Büro ist das reinste Chaos, in einer Ecke stapeln sich Futtersäcke, und überall liegen Kaffeebecher und Taschenrechner herum. Er hat auf seinem Schreibtisch ein paar Steaks liegen, die er dann mit ein paar Würsten zu einer Girlande bindet, als wäre Weihnachten in
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