Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
»Äh, ich werde …«, setze ich an und bewege mich dabei rückwärts auf die Tür zu. Ganz ehrlich, bei ihr fühle ich mich jedes Mal wie ein Neandertaler, zu keiner anderen Artikulation fähig als einer Reihe unverständlicher Grunzlaute. Ich könnte auch gleich anfangen, nach den Flöhen unter meinen Achseln zu picken und mich mit Mammuts anzulegen.
»Sie suchen sicherlich Oscar«, sagt sie, viel zu klug, um boshaft zu sein. »Er ist oben.« Und nach einer winzigen Pause: »Sie kennen den Weg.«
»Danke«, sage ich, noch immer rot wie eine Tomate.
Er ist oben und rasiert sich sein sexy Stoppelbartgesicht. Er trägt Jeans und dazu einen moosgrünen V-Ausschnitt-Pullover aus weichstem Kaschmir. »Hallo, meine Umwerfende«, sagt er, obwohl ganz offensichtlich ist, wer von uns beiden hier der Umwerfendere ist. Ich hätte mich von ihm nicht so antreiben lassen und mir genug Zeit für mein Outfit lassen sollen, dann wäre ich nicht bei diesem schlabberigen violetten Polohemd hängen geblieben, das im wahrsten Sinne des Wortes abgetragen ist. Ich küsse ihn zögerlich, aus Angst, er könnte das Gefühl bekommen, von einer mutierten Blaubeere vergewaltigt zu werden. Lydia würde nie wie eine sexuell abartige Waldfrucht aussehen, selbst heute könnte sie sich durchaus mit Grace Kelly messen.
»Danke«, sage ich und riskiere noch einen weiteren gierigen Kuss. »Danke, danke. Der Wagen steht im eingeschränkten Halteverbot, also sollten wir los.«
»Lass uns meins nehmen.«
»Ich kann es nicht hier stehen lassen.« Er sieht mich an, als erwarte er eine Lösung von mir. »Außerdem möchte ich gern fahren. Ich bin schon seit einer Ewigkeit nicht mehr Auto gefahren.«
»Das kann ja heiter werden«, sagt er, greift nach seiner Jacke und nimmt dann zwei Stufen auf einmal.
»Ich bin eine sehr gute Fahrerin, musst du wissen«, erzähle ich seinem sich entfernenden Rücken. »Dank der ausgezeichneten Anleitung meines Vaters habe ich den Führerschein auf Anhieb gemacht. Keiner meiner Brüder hat das hingekriegt.« Als würde das jemand interessieren.
Im Auto sprechen wir kaum miteinander, vielleicht weil ich den schlimmsten Fall von Lampenfieber zeige, der je festgestellt wurde. Millys Clio ist viel zu alt, um noch irgendwas von seinem gallischen Charme zu zeigen, den er vielleicht einmal besessen haben mag, und ich schalte krachend und lasse die Kupplung so holpernd kommen wie eine Rentnerin, die vergnügt ihren Führerschein aus den Tiefen einer Keksdose gefischt hat. Erleichtert parke ich den Wagen und atme bewusst die gute Landluft ein. Schuldbewusst muss ich an das Gespräch mit meiner Mum denken. Sobald der Wettbewerb über die Bühne gegangen ist, werde ich darauf bestehen, mir vier Tage freizunehmen. Ich werfe einen verstohlenen Blick auf Oscar, der das Terrain sondiert, als planten wir einen Schaufenstereinbruch. Ob er Lust hat, mich nach Hause zu begleiten? Er sollte es, und ich sollte es auch wollen, doch die Vorstellung raubt mir den Atem. Vielleicht ist es auch nur eine Reaktion auf das fehlende Kohlenmonoxid.
»Sieh dir diese Kühe an!«, sage ich. Der Himmel blau, die Luft frisch und so weit das Auge reicht nichts als Felder. »Sollen wir ihnen auf dem Weg zum Büro nicht unsere Aufwartung machen?«
Wir stehen am Zaun, und Oscar legt seinen Arm um meine Taille. Die andere ist unabkömmlich, da mit der Durchsuchung seines BlackBerry beschäftigt.
»Nun erzähl schon, Oscar, was ist passiert? Ich brauche Details, keine Schlagzeilen.«
»Warum?«
»Weil es in Beziehungen darauf ankommt!«, sage ich. »In ihnen geht es um Details, darum, dass man Kleinigkeiten teilt. Und diese Kleinigkeiten sind hier ganz wesentlich. Sollten wir überhaupt eine Chance haben, muss ich wissen, was … was deine Frau empfindet. Ob Tallulah damit klarkommt. Das sind die entscheidenden Fragen.«
Seine Frau, sie ist seine Frau. Bin ich wirklich so hoffnungslos naiv, mir nichts dabei zu denken, dass keine Scheidung angedacht ist? Diese Papiere, die noch im Chaos meines Schlafzimmers irgendwo liegen. Ich muss sie wegschicken.
»Ich habe Tallulah eine Tasse Kaffee gekocht und sie auf dem Sofa Platz nehmen lassen.« Dabei wirft er mir einen sarkastischen Blick zu. »Ich glaube, sie benötigte vier Schritte, um dorthin zu kommen, aber wir können das nachstellen, wenn du Wert darauf legst. Ich sagte ihr, ich sei froh, dass sie mich nicht hasst, und dass du ein ganz tolles Mädchen seist. Und sie sich darüber freuen
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