Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Ironie!
»Ist schon okay, sie war aufgewühlt. Das ist absolut verständlich.«
»Siehst du? Hab ich’s nicht immer gesagt, du bist wirklich ein Schatz.«
Ich atme aus, während er einatmet, und bin unglaublich erleichtert, dass er offenbar den Waffenstillstand erklärt hat.
»Aber, Oscar, was ist mit Lydia?«
»Hörst du wohl endlich auf, dir ihretwegen Sorgen zu machen? Ich fuhr Tally nach Hause, nachdem sie sich beruhigt hatte, erzählte es Lydia, und alles lief ganz zivilisiert ab. Du hast keinen Grund, dir Sorgen zu machen.«
Abgesehen davon, dass er mich tatsächlich Lydia genannt hat, doch das behalte ich lieber für mich. Und Marshas Party. Apropos …
»Ich habe nachgedacht«, sagt er, »wenn du mir versprichst, dass ich nichts davon mitkriege, und du dafür sorgst, dass es wirklich nur von halb sieben bis halb neun Uhr geht, kannst du deinen Willen bekommen. Aber du musst immer für mich greifbar sein, wenn ich dich brauche. Das ist mein Ernst, Fischmädchen, an diesem Abend gehörst du mir. Du kannst ein paar Leute von Johnnys Team einsetzen, die wir nicht brauchen, und die werden das machen. Aber nicht du.«
»Wirklich? Ehrlich? Ich danke dir … ich, ich liebe dich.«
»Gut«, sagt er brummig. »Was ist nun mit dem Fleisch?«
Es gäbe so vieles, was ich noch gern erfahren hätte – was Lydia tatsächlich gesagt hat, wie er sich mit Tallulah geeinigt hat –, doch dazu ist keine Zeit. Und vielleicht will die eine Hälfte von mir das ja auch gar nicht wissen: Ich habe noch immer das Gefühl, dass meine weibliche Intuition mir Zugang zu Nuancen verschaffen wird, deren er sich glücklicherweise gar nicht bewusst ist.
»Das Fleisch!« Ich erzähle ihm alles über Jack Foster-Cuthbert und seine glücklich wirkenden Säue.
»Wann fährst du da hin?«
»Mehr oder weniger jetzt gleich. Ich wollte um zwei Uhr wieder in der Küche sein.«
»Dann komm doch vorbei und hol mich ab. Über meine Schwelle kommen keine Schweine, die ich nicht in situ in Augenschein genommen habe.«
»Aber ich wollte Milly …«
»Sie kennen sich, das ist zu kompliziert. Ich muss selbst mit ihm verhandeln. Hier geht es ums Geschäft, nicht um Freundschaft.« Ich komme mir wie eine Verräterin vor, Milly aus dem Fleischteam zu schmeißen, aber ich weiß, dass sie keine Argumente haben wird, sich mir zu widersetzen, denn wie in so vielen anderen Belangen auch läuft es darauf hinaus, dass Oscar der Boss ist. »Und beeil dich, wir haben nicht viel Zeit«, ergänzt er und legt auf.
Ich berichte ihr schuldbewusst, was er gesagt hat. Sie wirkt niedergeschlagen, bleibt allerdings stoisch.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich an seine Strategie glauben kann«, sagt sie. »Freundschaft hat schon bei vielen Geschäftsabwicklungen die Räder geölt, aber ich verstehe, dass sein Wort Gesetz ist.«
»Es tut mir wirklich leid.«
»Dann richte Jack liebe Grüße von mir aus. Er ist ein von Grund auf guter Kerl.«
»Werde ich machen«, verspreche ich ihr, umarme sie und schlüpfe dabei gleichzeitig in meinen Mantel. Wenigstens habe ich für Marsha ein Tor erzielt.
Ich habe nicht die Absicht, das Restaurant zu betreten – viel zu viele Landminen –, aber als Oscar nicht an sein Telefon geht, bleibt mir keine andere Wahl. Ich nehme vorsichtig den Weg vorne durchs Restaurant und steuere das Büro an. Ich sehe seinen Umriss durch die Glasscheibe und stürme hinein.
»Hi, Schatz!«, sage ich mit dem festen Vorsatz, sein Gesicht mit Küssen zu bedecken, aus Dankbarkeit, dass er die Party verschont hat.
Doch es ist gar nicht er. Es ist Lydia, die in ihr Telefon spricht. Sie wirbelt herum.
»Ich rufe dich zurück«, zischt sie und legt auf.
Ich bin rot wie eine Tomate und trete von einem Bein aufs andere. »Äh, hi, Lydia«, sage ich. »Sind Sie, ist alles okay?«
Verflixt. Ich meinte damit natürlich Tallulah, allerdings wird es sich anhören, als wollte ich ihr mein Mitgefühl wegen Oscar vermitteln. Ich rechne damit, von ihr zusammengestaucht zu werden, aber offensichtlich habe ich sie falsch eingeschätzt. Hat der Kummer sie etwas versöhnlicher gestimmt? Der Gedanke, ich könnte tatsächlich ihre Rachel sein, weckt Schuldgefühle. Ich möchte niemandes Rachel sein (es ist schon ärgerlich genug, dass ich überhaupt an sie denke).
»Mir geht es gut. Es tut mir leid, dass Sie in den vergangenen Tagen in unsere Familiendramen verwickelt wurden.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sage ich und setze ein Lächeln auf.
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