Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
das Haus verlasse, erinnert mich an eine Person und nur an eine: Oscar. Was für ein Schlamassel. Ich hätte ihn darin bestätigen sollen, als er vorschlug, unsere Beziehung öffentlich zu machen, obwohl ich mich noch immer frage, ob es ihm wirklich so ernst damit war, wie er behauptet hat. Er musste gewusst haben, wie Tallulah darauf reagieren würde, musste sich des Schmerzes bewusst gewesen sein, den er ihr zumutete – jemanden, den man liebt, hart zu kritisieren ist eine Sache, aber willentlich das eigene Kind zu verletzen, dürfte kaum auszuhalten sein. Ich hätte ausführlicher mit ihm über die möglichen emotionalen Auswirkungen sprechen müssen und nicht so viel Zeit darauf verwenden dürfen, mir wegen meines Status in der Küche Gedanken zu machen. Okay, genug der Selbstgeißelung. Als ich ein schwarzes Taxi vorbeigleiten sehe, strecke ich ohne zu überlegen meinen Arm aus: Heute ist nicht der Abend, den ich mit tequilatrunkenen Studenten im Nachtbus verbringen möchte.
Obwohl ich am nächsten Morgen freihabe, werde ich um Punkt sechs wach. Die vergangene Nacht spult sich ab wie ein Endlosband. Der Gedanke, dass Oscar sich nun doppelt von mir verraten fühlt, weil ich darauf bestand, Marshas Party auszurichten, und dann auch noch gegen seinen Willen ging, setzt mir zu. Ich texte ihm: Tut mir leid, dass ich von dir weggegangen bin, aber ich dachte, ihr beide bräuchtet Raum für euch. Ruf mich an, wenn du kannst. xx
Ich brühe mir ein paar Liter Kaffee auf und versuche mich auf das Googeln von Metzgern zu konzentrieren. Dabei knabbere ich an einer Scheibe trockenem Toast und gebe mir alle Mühe, beim Anblick der an ihren Hufen aufgehängten toten, blutigen Kühe nicht zu kotzen. Das ist genau das, was Tallulah sich für mich vorgestellt haben dürfte. Doch es gibt um sieben Uhr morgens einen noch schockierenderen Anblick: Milly, komplett angezogen, mit einem Exemplar Businessknigge für Dummies unter dem Arm.
»Guten Morgen, meine Liebe«, sagt sie und schaltet am tragbaren Fernseher in der Ecke auf News 24, obwohl dieses Gerät ansonsten ausschließlich für mehrere Folgen EastEnders genutzt wird, die wir uns im Schlafanzug zu Gemüte führen. Binnen drei Minuten sind wir über eine verheerende Flutkatastrophe in Asien und eine tödliche Messerstecherei informiert, Nachrichten, die ich schon zu meinen besten Zeiten kaum verdauen kann, aber schon gar nicht vor acht Uhr morgens.
»Könnten wir das vielleicht ein wenig leiser drehen?«, schlage ich vor.
»Hm?«, meint Milly, die gebannt auf die Fernsehbilder starrt. »Jetzt kommen gleich die Aktienkurse.«
Ich konzentriere mich entschlossen darauf, Marmelade auf meinen Toast zu streichen, und erinnere mich wieder, dass sie gelobt hat, ihre anderen Investitionen im Auge zu behalten. Ich bin mir sicher, dass ihre Steuerberater sich über ihren neu entdeckten Eifer in Finanzfragen genauso freuen wie ich. Hör auf, so biestig zu sein, sage ich mir. Es ist doch gut, dass sie ein neues Zielbewusstsein entwickelt hat.
»Der gestrige Tag war faszinierend«, sagt sie, nachdem wir die beruhigende Gewissheit haben, dass die Kupferpreise nach dem gestrigen kurzzeitigen Tiefpunkt sich wieder erholt haben.
»Das ist schön«, sage ich, bevor ich auf die Gesprächsbremse trete. Ich notiere mir eifrig die Telefonnummer eines Bauernhofs mit unendlich glücklichen Gloucestershire Old Spots.
»Was machst du da?«, erkundigt sich Milly.
»Ich versuche einen neuen Metzger zu finden, es ist der reinste Albtraum. Unser Lieferant hat uns verlassen, und jemand neuen zu finden, dessen Fleisch genauso gut, aber nicht exorbitant …«
»Zu viele Hochzeiten auf einmal«, sagt sie. »Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht«, ergänzt sie, und ich versuche, sie aufmunternd anzusehen. »Was immer sie wert sein mögen.«
»Oscar meinte, ja.«
»Hat er?«, sagt sie und freut sich wie ein Schneekönig. »Ich war mir nicht sicher, ob sie nicht auf taube Ohren gestoßen sind, aber ich möchte doch wirklich helfen.«
»Das weiß ich doch«, sage ich mit einem aufrichtigen Lächeln.
»Ich frage mich, ob ihr euch nicht etwa eine Chance entgehen lasst, indem ihr auch für die ein wenig zarter Besaiteten etwas auf die Speisekarte setzt.«
»Was meinst du damit?«
»Also versteh das bitte nicht falsch, aber es gab doch ein paar leere Tische.«
»Es war Lunch mitten unter der Woche. Wir sind noch relativ neu, das liegt in der Natur der Sache.«
»Hm«, meint Milly wenig überzeugt.
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