Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
klar, dass der unvermeidbare Gegenschlag kommen wird, mag Oscar sagen, was er will. Vielleicht drängt sie jetzt auf Scheidung und legt einen Gang zu, um ihn bis aufs Hemd auszuziehen. Besagte 200 000 Pfund werden ihm zwar nicht alles nehmen, aber da die Geldbewegungen zwischen seinem Geschäft und seinem Privatkonto fließend sind, könnte es reichen, ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Sollte ich ihn warnen? Ich habe mit aller Macht versucht, mich aus dieser Seite seines Lebens rauszuhalten. Ich habe mir sogar jeden Kommentar darüber verkniffen, dass er sich seit seiner Aussprache mit Tallulah erst einmal mit ihr zu einem Kaffee bei Starbucks getroffen hat, habe seinen Entschluss respektiert, seine ganze Kraft in die Küche zu stecken, bis der morgige Wettbewerb vorüber ist. Nach allem, was ich weiß, kann es auch ein absolut legitimes Geschäftsgespräch über Angelegenheiten gewesen sein, die sich meiner Kenntnis entziehen, aber das Miasma von Schuld, das sie umgab, und ihre Unruhe verraten mir, dass mehr dahinterstecken muss.
Ich begleite Marsha über das Restaurant nach draußen, weil ich davon ausgehe, dass Oscar sich in seinem Büro eingeigelt hat. Trotz des zögerlichen Segens, den er der Party erteilt hat, möchte ich ihn nicht unnötig damit konfrontieren. Nachdem ich sie verabschiedet habe, mache ich mich auf die Suche nach ihm.
»Wenn das nicht mein frühes Vögelchen ist. Irgendwelche Würmer gefangen?«
»Nenn mich nicht Vögelchen, wir sind nicht mehr in den Siebzigerjahren«, sage ich und küsse ihn. »Und du bist auch nicht Paul Raymond.«
»Verschon mich«, erwidert er, »Frauen in Latzhosen habe ich noch nie ausstehen können.« Das steht außer Frage, Lydia beunruhigt mich noch immer. »Hast du die Lammnieren gekostet? Jack hat sich als Sieger erwiesen. Das haben wir gut gemacht. Das Menü sollte weggehen wie warme Semmeln.«
Milly hatte ihr Versprechen gehalten und Jack dazu gebracht, Oscars Schleuderpreis zu akzeptieren und eine zusätzliche Klausel, von ihr selbst verfasst, zu unterschreiben, dass er niemals in Verhandlungen mit Angus’ bösem Imperium tritt. Oscar kam nicht umhin, beeindruckt zu sein, und betrachtet nun die von ihr geforderten regelmäßigen Treffen zum Brainstorming weitaus weniger mürrisch. Ich komme mir dabei noch immer vor wie die unterwürfige Leibeigene, aber das ist mein eigenes kindisches Problem.
Doch trotz Oscars fröhlichem Ton erkenne ich an den weißen Knöcheln seiner Finger, mit denen er seinen Bleistiftstummel hält, dass er unter Stress steht. Im Lauf der letzten Woche drehte sich alles nur um den Wettbewerb. Dabei wurde nicht nur Tallulah vernachlässigt, auch wir beide haben uns eigentlich nur über Kutteln unterhalten. Zu einer richtigen Aussprache kam es nicht, doch ich muss zugeben, dass ich auch erleichtert war. Eigentlich hatte ich erwartet, er würde mir wegen meines Gesprächs mit Dom weiterhin gram sein und nicht lockerlassen, mir die angebliche Flirterei vorzuhalten, aber seit jenem Tag hat er kein Wort mehr darüber verloren. Vielleicht hat er noch mal darüber nachgedacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass es nichts weiter war als freundschaftlicher Frust wegen gemeinsamer Wohnungsprobleme. Freunde, Freunde, fröhliche gute Freunde. Ich habe mich endlich dazu durchgerungen, die Papiere zu unterschreiben, die für alle Zeiten Freunde aus uns machen, und eine Träne vergossen, als ich sie vor dem Costcutter-Laden in Bethnal Green in den Briefkasten warf. Es schien mir ein unheilvolles Ende all jener Hoffnungen und Träume zu sein, weshalb ich mich mit einem reduzierten Kit Kat tröstete, nur um der traurigen Banalität des Ganzen noch eins draufzusetzen.
»Oscar?«
»Hm.«
»Lydia hatte vorhin ein höchstmerkwürdiges Gespräch.«
»Der Kalte Krieg ist vorbei, Fischmädchen. Hör auf, an Türen herumzuhängen und dir böses Gemecker einzubilden oder ihr zu unterstellen, dass sie dich vergiften will. Erzähl mir was Neues, Paranoia macht mich nicht an.«
»Ich bin nicht paranoid! Und wer sagt, dass ich dich anmachen will?«
»Reizend«, sagt er und grinst spöttisch, was aber trotzdem sehr sexy wirkt. »Hör zu, Lydia und ich sind erwachsene Menschen. Es gibt kein Drama, weit und breit nicht.«
»Hör mir einfach zu.« Ich beschreibe ihm, was ich mitgehört habe, so genau wie möglich, doch er scheint kaum zuzuhören, sondern kritzelt einfach weiter. Einmal blickt er auf, aber nur, weil er seine Zigaretten
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