Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
scheint die Feindseligkeiten gegen mich endlich zu überwinden.
»Jener Abend, wissen Sie«, sagt Michelle mit gesenkter Stimme, »als Ihr Ex hereinkam.« Davon habe ich Oscar noch immer nichts erzählt. Ich werfe einen verstohlenen Blick in seine Richtung, doch er demonstriert gerade, wie man eine Taube verstümmelt, und könnte nicht uninteressierter sein. »Das Kürbisgericht, das Sie zubereitet haben, das war ausverkauft.«
»Ja, war es«, sage ich, und das kalte tödliche Entsetzen, das ich verspürte, als ich herausfand, dass dessen erster Fan Rachel war, wird wieder lebendig. »Sie haben recht, das könnten wir noch mal probieren.«
Aber natürlich kann ich es nicht bei einem Vorschlag bewenden lassen und bin deshalb wie besessen von dem Gedanken, dass sich das perfekte Gericht, ein uneheliches Kind der Liebe von Elizabeth David und Nigel Slater, nur mir nicht erschließt. Ich probiere verschiedene Dinge aus und bekomme, weil ich derart versunken bin, nicht mit, dass Oscar schon wieder weg ist. Anhand der vielen Bestellungen sehe ich, dass der Mittagsbetrieb ziemlich hektisch sein muss, doch ich gehe nicht raus, um mir selbst ein Bild zu machen.
Gegen fünf Uhr nachmittags ziehe ich los, um Oscar meine besten drei Vorschläge zu präsentieren, aber als ich mich dem Büro nähere, sehe ich Lydia durch die Scheibe. Wenigstens nicht in der Rolle als sexy Schreibtischmaskottchen. Nein, sie sitzt ihm mit ernster Miene gegenüber. Sein Kopf ist über sein Notizbuch gebeugt, und das ganze Tableau erinnert mich gespenstisch an meine Versuche von heute Morgen, zu ihm vorzudringen. Ich schleiche mich, dankbar für meine abgewetzten alten Converse-Schuhe, hinaus: Wie jeder gute Spion weiß, sind Stilettos nicht gemacht für Heimlichkeiten.
Als ich die Hälfte des Flurs zurückgelegt habe, höre ich Gebrüll. Es ist tatsächlich Gebrüll, so kehlig und intensiv, dass man es keinem Menschen zutrauen würde. Es folgt ein Knall, als würde der Schreibtisch umgeworfen, dann fliegt die Tür auf. Lydia stürmt mit hochrotem Gesicht heraus.
»Komm zurück«, schreit Oscar. »Wag es nicht, vor mir davonzulaufen.«
»Du kommst schon damit klar«, zischt sie und rauscht an mir vorbei Richtung Restaurant. »Er gehört ganz Ihnen.«
Oscar kommt ihr nachgerannt und greift nach ihr, aber sie läuft so schnell, wie ihre Stilettos dies zulassen. Gott sei Dank ist das Restaurant leer, denn seine Schimpftirade würde ihn vor den Richter bringen. Ich jage ihm hinterher, weiß aber, dass ich ihm nicht zu nahe kommen darf. Ehe er sie aufhalten kann, ist sie schon in ein Taxi gestiegen und schlägt ihm vor seiner Nase die Tür zu. Wie angewurzelt steht er draußen auf dem Gehsteig. Ich gehe zu ihm, gewappnet für die Standpauke, die er mir gleich halten wird.
»Oscar? Was ist denn, Oscar?«
Er dreht sich langsam um, das Gesicht schmerzverzerrt. Ich gehe zu ihm und halte ihn fest, spüre, wie er zittert. Die Wut scheint verpufft zu sein. Schweigend klammert er sich an mich.
»Sag es mir, Liebling. Was ist es?«
Wir befinden uns auf einer winzigen Insel mitten in der Stadt. Autos hupen und fahren quietschend um uns herum, während Pendler mit Tunnelblick uns in ihrem Bestreben, die U-Bahn zu erreichen, mit ihren Ellbogen zur Seite schieben. Und doch bleiben wir stehen, weil ich mir von ihm einen Anhaltspunkt erhoffe. Schließlich löse ich meine Umarmung, blicke zu ihm hoch und sehe mit Entsetzen, dass ihm Tränen über die Wangen laufen.
»Nun komm, lass uns reingehen. Nein«, ergänze ich in Anbetracht der Wirkung, die das hätte, »lass uns auf die andere Straßenseite gehen.«
Gleich um die Ecke gibt es eine Bar, einen Treffpunkt grau aussehender Männer in ebensolchen Anzügen. Ich setze Oscar an einen Ecktisch und kann nur hoffen, dass keiner ihn erkennt. Sollte jemand zu ihm kommen und einen Tisch bestellen wollen, würde er ihn bestimmt niederschlagen. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht kenne ich ihn doch nicht. Auf gut Glück hole ich für ihn einen Brandy und für mich ein Glas Wein, der hoffentlich nicht allzu übel schmeckt. Dann setze ich mich neben ihn und lege meine Hand auf seine.
»Bitte sprich mit mir«, sage ich. »Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nichts sagst.«
»Sie verlässt mich«, sagt er, und ich strenge mein dummes kleines Gehirn an. Verlassen hat sie ihn doch wohl schon? Sie sind seit über einem Jahr getrennt. »Sie wird für Angus arbeiten.« Er greift nach dem Glas, das schon längst
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