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Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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Situationsanalyse vorzunehmen. Doktor Amber Freud hat das Gebäude verlassen.
    Erst als ich am Piccadilly entlanglaufe, habe ich ein flaues Gefühl im Magen. Seit wir uns getrennt haben, habe ich alles drangesetzt, das Marquess zu meiden, und da keine Einladungen zu einem Tee im Ritz erfolgten, ist mir das bisher auch sehr gut gelungen. Ich kann die grelle Beleuchtung sehen, den Türsteher mit Zylinder, der reibungslos Taxis für übersatte Gäste heranwinkt. Es ist ein fantastischer Ort und voller Schwingungen für mich. O Gott, o Gott. Und wenn nun Rachel dort ist? Der bloße Gedanke an sie lässt mich fast umkehren, aber ich zwinge mich weiterzugehen und rede mir so streng ins Gewissen, wie ich das bei Oscar getan habe. Während der nächsten vierundzwanzig Stunden muss meine ganze Konzentration auf den Wettbewerb gerichtet sein, und ich darf mir gerade mal so viele Emotionen erlauben wie ein Cyborg. Erst danach kann ich die von mir ersehnte Balance in Angriff nehmen: indem ich nach Hause fahre und mich daran erinnere, dass ich eine Tochter und eine Köchin bin, und anstatt mich auf die heilenden Kräfte von Kit Kat zu verlassen, wirklich darüber nachdenke, was es bedeutet, dass ich diese Papiere auf den Weg gebracht habe. Aber noch nicht gleich.
    Als ich vor dem Eingang stehe, wird mir bewusst, wie verlottert ich aussehe. Zum Glück erkennt mich der Türsteher.
    »Hallo, Shaun«, begrüße ich ihn und frage mich, wie viel er wissen mag.
    »Amber!«, sagt er strahlend. »Freut mich, Sie wiederzusehen. Gehen Sie gleich durch.« Ich liebe Shaun, liebe ihn aufrichtig.
    Das Marquess ist wirklich prachtvoll mit seinen hohen Decken und der schönen Beleuchtung. Es erinnert an ein europäisches Bistro und ist immer voll bis unters Dach. Der Lärm ist ohrenbetäubend, große runde Tische reihen sich, so weit das Auge reicht. Ich bleibe an der Empfangstheke stehen. Die neue Empfangsdame, die dort Dienst hat, wirft einen despektierlichen Blick auf meine motorradfreundliche Steppjacke.
    »Guten Tag, Madam. Haben Sie einen Tisch reserviert?«
    Ich erstarre, und die Nervosität, gegen die ich angekämpft habe, kommt mit aller Macht zurück. Es mag sich narzisstisch und lächerlich anhören, aber ich bin davon überzeugt, auch noch der Letzte hier wüsste darüber Bescheid, dass mein Ehemann mich für eine Transe (oder sonst etwas) verlassen hat.
    »Ich … äh.« Doch bevor mein Stottern sich noch steigert, taucht Shaun an meiner Seite auf.
    »Das ist Amber, Doms Ehefrau. Können Sie ihn für sie holen?«
    Ich könnte heulen vor Dankbarkeit. Bald darauf sitze ich an der gemütlichen Bar und drücke mir ein Glas teuren eiskalten Chablis, den ich mir niemals leisten könnte, an die Brust und warte. Warte auf Dom. Ich sitze wie auf glühenden Kohlen, und ständig huschen meine Augen zur Tür. Was ist, wenn er keinen Bock hat? Vielleicht präpariert er jemanden, der gleich rauskommt und mich sanft abserviert. Schließlich muss er nun, da die Papiere an Ort und Stelle liegen, nicht mehr den Netten spielen. Weg mit der Paranoia. Als nur noch ein paar Tropfen im Glas sind, nähert sich mir eine hübsche Kellnerin. Sie ist eher eine flippige als eine umwerfende Schönheit. Eine große aufdringliche Brille rahmt ihre klaren grünen Augen, und ihr dunkles Haar kann jederzeit den Kampf gegen das Haarnadelbataillon verlieren, das eine Kaskade von Korkenzieherlocken in Schach hält. Sie ist im Grunde genommen eine Mischung aus Maggie Gyllenhaal und Diane Keaton als Annie Hall – kein Wunder, dass Dom sie eingestellt hat.
    »Amber?«, sagt sie und kann dabei nicht ganz kaschieren, dass sie mich mustert. Sie ist neugierig, nicht boshaft, weshalb ich es ihr nicht übel nehme.
    »Ja.«
    »Dom lässt sich entschuldigen« – mein Herz rutscht Richtung Füße –, »aber er kommt, sobald er kann.« Ihr kluges unschuldiges kleines Gesicht wird munter. »Er hat mit einigen überanspruchsvollen Russen zu tun, Sie wissen ja, wie die sind.« Sie liebt ihn, das weiß ich einfach, aber ich kann sie dafür nicht einmal hassen.
    »Danke«, sage ich, und Kummer überwältigt mich. Warum tue ich das? War es reiner Altruismus, oder suchte ich insgeheim nach einer Ausrede, noch einen letzten Blick auf ihn zu erhaschen, bevor er vollends tabu für mich ist? Was es auch sein mag, es ist ein Schuss, der nach hinten losgeht. Ich bin nicht stark genug, Zeugin zu sein, wie sein Leben ohne mich weitergeht, obwohl mein eigenes Leben sich doch ganz nett gestaltet.

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