Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
sicherlich, dass es Oscar ist, und wer wäre so doof, da ranzugehen? Er nimmt nach dem zweiten Klingeln ab.
»Hallo?« Vermutlich hat er meine Nummer nicht eingespeichert. Ich hole tief Luft.
»Johnny, hier ist Amber. Ich habe erfahren, was du vorhast.«
»Soso«, sagt er eiskalt. Jetzt bräuchte ich wieder eine Raum-Zeit-Maschine, um mich in jene Tage zurückzubeamen, als er mir nichts als schöne Augen gemacht hat.
»Ist sicherlich eine tolle Chance. Ich rufe auch nicht an, um Sie davon abzuhalten, aber bitte, bitte verlassen Sie uns nicht vor dem morgigen Tag. Sie sind brillant, Sie haben hier ganz hervorragende Arbeit geleistet. Das könnte morgen die Krönung sein, Johnny. Bitte vermasseln Sie es uns nicht.«
Sein Schweigen scheint eine Ewigkeit zu dauern. Ich bin zu weit gegangen, er wird denken, ich will ihn erpressen.
»Amber, ich bin neugierig, seit wann haben Sie sich denn in Lady Macbeth verwandelt?«
»Wie bitte?«
»Sie haben mich schon verstanden. ›Wir‹ hier und ›uns‹ da. Überrascht es Sie, dass Lydia sich zu diesem Schritt veranlasst sieht? Es war schon schlimm genug, als Sie herumliefen und die Leute rauswarfen.«
»Ich musste es ihm sagen, Johnny, sie ist doch erst sechzehn. Sie würden es genauso machen, das weiß ich.«
»O bitte ersparen Sie mir die Zehn Gebote, wie Amber sie versteht. Sie haben mich belogen. Sie sagten mir, Sie seien noch nicht so weit, haben aber währenddessen die ganze Zeit den Boss gevögelt.«
»Als Sie mich um eine Verabredung baten, habe ich das noch nicht getan. Ich war nicht bereit dazu …«
»Aber darauf kommt es Ihnen wohl auch gar nicht an, oder?«
»Was soll das bedeuten?«
»Es schadet Ihrer Karriere bestimmt nicht, dass Sie sich Oscar geangelt haben.«
»Wagen Sie es ja nicht, mir zu unterstellen, ich sei eine Hure, ich liebe ihn. Sie waren nicht mein Typ, das ist doch kein Verbrechen.«
»Sie haben recht, ist es nicht. Aber erwarten Sie sich von mir keine Gefälligkeiten. Lydia war es, die mich im Violet angeheuert hat, und Lydias wegen bin ich auch mitgekommen. Wenn sie weg ist, bin ich auch weg.«
Jedes weitere Gespräch wäre sinnlos. Ich verabschiede mich höflich und frage mich, ob seine Wut nicht eine ganz nützliche Rechtfertigung ist. Was läuft da schief bei Männern und ihren Verletzungen: Warum können sie nicht einfach dazu stehen? Wenn Sie mich fragen, gibt es nichts Schlimmeres als die Rache eines verschmähten Mannes. Eine Frau wird losziehen und ihre Freundinnen zu Tode langweilen, ihr Körpergewicht mit Bountys aufwiegen und sich ihre Lieblingsfolgen von Sex and the City so oft ansehen, bis sie glaubt, sie wäre eine Seelenverwandte der wieder mal fallen gelassenen Carrie Bradshaw. Aber dann kommt sie darüber hinweg und gewinnt eine neue Perspektive. Apropos – wie sieht das bei mir aus?
Ich sehe Doms Gesicht vor mir, als wir auf der Bank saßen und er mir das Versprechen gab, immer für mich da zu sein. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür gekommen, es einzufordern, bevor Ursula Andress mit ihrem perfekten Busen gewackelt hat. Er ist die einzige mir bekannte Person, die uns aus der Patsche helfen kann, denn er schafft es, selbst ein ihm völlig unbekanntes Restaurant wie eine militärische Operation zu leiten. Ich starre mein Telefon an, als wohnten ihm magische Kräfte inne. Doch ich kann ihn nicht anrufen, ohne vorher Oscar gefragt zu haben.
Er ist wieder in der Küche, brüllt und bellt so streitlustig, dass seine Lobesworte eine Halluzination gewesen zu sein scheinen. Ich ziehe ihn in eine Ecke der Küche und umreiße meinen Plan. Ich bin für eine Tirade gewappnet, aber seine Augen sind glasig und sein Blick anderswo.
»Mach das. Ich darf diesen Wettbewerb nicht verlieren, es darf nicht geschehen. Und es ist mir verdammt egal, was uns retten kann.«
»Also gut«, sage ich ein wenig irritiert. Ich hatte zumindest mit einer hitzigen Debatte gerechnet. Trotz meiner Überzeugung, das Richtige zu tun, bin ich verrückterweise ein wenig beleidigt, dass er auch nicht den Anflug von Eifersucht zeigt. Lächerlich.
Ich versuche Dom über sein Handy zu erreichen, doch es ist ausgeschaltet, was mich nicht überrascht. Ich überlege kurz. Wenn er sich darauf einlässt, wird er, um freizubekommen, den Einsatzplan ändern müssen, und in diesem Fall ist es das Beste, ich spreche mit ihm so schnell wie möglich. Ich nehme meinen Mantel und stürme ins Freie, bemüht, keine allzu tiefschürfende
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