Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
hat sich was verändert. Und schon lange vor dieser Geschichte.«
Er hielt meinem Blick stand, forderte mich heraus, es abzustreiten, und mich überkam tiefste Traurigkeit. Ich spürte, dass an seinen Worten was Wahres dran war, wusste jedoch nicht, wodurch sie wahr geworden waren. Hatte ich ihn weggestoßen, oder hatte er nach einer Ausrede gesucht, weglaufen zu können? Was war zuerst da, die Henne oder das Ei?
»Findest du das wirklich?«, fragte ich, und er nickte leicht.
»Ich sage das nicht, um etwas zu entschuldigen. Es gibt keine Entschuldigung.« In dem Moment sah er so leidend aus, dass ich fast auf ihn zugegangen wäre, aber ich hielt mich zurück, entschlossen, mich zu schützen, ehe ich alle Fakten kannte. Genau wusste, was er mir, was er uns angetan hatte.
»Weißt du, was mich zur Weißglut bringt? Dass du dich bei ihr ausgeheult hast. ›Ich Armer muss mit meiner verrückten neurotischen Ehefrau auskommen. Rate mal, was sie jetzt wieder gesagt hat?‹ Du hast ihr die Axt angeboten und zugelassen, dass sie damit unsere Ehe zerstört.«
»Sie ist nicht zerstört! Ich sage dir doch, dass du damit aufhören sollst, das geschehen zu lassen.«
»Wenn das nicht edelmütig von dir ist!«
Und so ging es immer im Kreis, immer weiter. Ich wollte wissen, wie oft sie Sex miteinander gehabt hatten (dreimal), wo (auf dem Land, in ihrer Wohnung), wie es war (ein beschämtes Achselzucken, eine Zurückweisung). Als das Tageslicht durch die Vorhänge drang, gaben wir endlich auf, da der Schlaf sein Recht forderte. Während er mich anflehte, doch mit ihm im selben Bett zu schlafen, weil ich ihn schließlich nicht in die Wildnis des freien Zimmers verbannen könne, gab sein iPhone einen fatalen Piepton von sich. Blitzartig bewegte ich mich darauf zu und zog es aus seiner Jacke, ehe er mich davon abhalten konnte: ein einziges X, ein einziges X um vier Uhr morgens. Das war es dann.
Ich gebe keinen Laut von mir. Ich stehe da wie angewurzelt und zittere unkontrollierbar. Wie soll ich damit umgehen? Ich kann seine Schritte hören, und in einer derart kleinen Wohnung bringt mir das einen Aufschub von höchstens drei Sekunden.
»Amber«, sagt er, und der Schreck steht ihm ins Gesicht geschrieben. »Amber«, wiederholt er mit leiserer Stimme.
»Hi«, sage ich schlicht, weil mir die Worte fehlen.
Ich mustere ihn und versuche seine Stimmungslage einzuschätzen. Er trägt einen marineblauen Dufflecoat, den ich an ihm bestimmt noch nicht gesehen habe: wenn doch, hätte ich ihn verbrannt. Er sieht darin nicht aus wie ein cooler unabhängiger Yuppie – eher wie jemand, der auf dem Weg zum Schachklub ist, bevor er nach Hause eilt, um sein Abendessen vor dem Fernseher einzunehmen. Ich würde gern schonungslos losgackern, um mir zu bestätigen, dass er ohne mich verwahrlost, aber stattdessen versetzt seine Verletzlichkeit mir einen leichten Schlag in die Magengrube. Die Mischung aus Liebe und Hass, heiß und kalt, ist noch immer aktiv, erst die Erleichterung, ihn zu sehen, gefolgt von dem Tief, als er die Entfernung zwischen uns zurücklegt, das dieses Hochgefühl bei Weitem übersteigt, als mir wieder einfällt, was er geworden ist. Mein Ex – zwei kleine unbedeutende Buchstaben, die so viel beinhalten.
Wir starren einander an, dann kommt er auf mich zu und beugt sich herab, um mir einen Wangenkuss zu geben. Ich sehe ihn verwundet an. Ist es wirklich so leicht für ihn, den Wandel zu vollziehen? Bin ich so was wie eine vergessene jungfräuliche Tante auf einer Familienhochzeit? Ich muss mich am Riemen reißen: Vermutlich sehnt er sich nach meiner Absolution, die ihn dann in eine zauberhafte Zukunft mit Rachel entlässt. Wenn er nun schon Runde eins des Spiels »Wer ist jetzt glücklich?« gewonnen hat, werde ich ihm jedenfalls nicht die Freude bereiten, mir das anmerken zu lassen.
»Wie geht’s?«, frage ich, um Lässigkeit bemüht. »Wie läuft’s in der Arbeit?«
»Ach, du weißt ja, immer dasselbe«, antwortet er verlegen. »Wie geht es dir?«, erkundigt er sich und hält Blickkontakt zu mir.
»O, gut!«, erwidere ich. »Obwohl ich sagen muss, dass ich nicht gut im Klempnern bin.« Das versuche ich mit einem Lachen zu unterstreichen, doch leider klingt es, als hätte ich eine Fliege verschluckt.
»Das überrascht mich aber«, sagt er, und wir schweigen eine Weile. »Amber …«, setzt er an, aber ich rausche aus dem Zimmer (was in so kleinen Räumlichkeiten eine ziemliche Herausforderung darstellt).
»Willst
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