Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
einen Schlussstrich ziehen.«
Und mit diesen Worten schlage ich die Tür hinter meinem Leben als Ehefrau zu.
Kapitel 5
Auszeiten werden überbewertet, wenn Sie mich fragen. Ich weiß nicht, was ich mit mir anstellen soll, so verzweifelt ich auch versuche, mich davon abzulenken, allzu angestrengt über die letzten vierundzwanzig Stunden nachzudenken. Milly versucht noch immer, mich ins Kino abzuschleppen, aber zwei Stunden im Dunklen zu sitzen ist viel zu gefährlich. Es ginge ja noch, wenn wir uns Full Metal Jacket oder Platoon anschauen würden – also ein Blutbad, gewürzt mit Waffen, Action und heißen Typen –, aber der beste Film im Angebot ist eine Schmonzette mit Jennifer Aniston, die mir sicherlich den Rest gäbe. Ich entscheide mich stattdessen für einen Langstreckenlauf und versuche dabei, meine Überlegungen auf dem intellektuellen Niveau eines Windhundes zu halten, der sich unheimlich anstrengt, sein Rennen zu gewinnen.
Als am nächsten Morgen mein Wecker klingelt, bin ich richtiggehend erleichtert und begrüße die Aussicht auf die vertraute Brutalität eines Restaurants. Dort weiß ich wenigstens, wo die Missgeschicke lauern. Als ich im Ghusto eintreffe, wird mir sofort klar, dass die Schlacht bereits begonnen hat. Mike brüllt mit vor Zorn gerötetem Gesicht Tomasz an, als wäre dieser sein Sklave.
»Hat man dir daheim in Warschau denn nicht erklärt, was es mit dem kleinen und dem großen Zeiger auf sich hat?«, brüllt er und zeigt dabei wütend mit dem Finger auf die Uhr. »Oder liegt es daran, dass es im Mutterland eine Stunde früher ist?«
»Mein Bus war … es war …«
Es ist 7:06 Uhr. Die Mitarbeiter trudeln nach und nach ein, doch bei keinem scheint Mikes Wutbarometer derart in die Höhe zu schnellen.
»Du kannst von Glück sagen, dass ich dich nicht sofort rausschmeiße. Wo du herkommst, warten noch jede Menge Polacken.«
»Es tut mir leid. Ich habe …«
»Letzte Warnung. Du kannst von Glück sagen, dass ich gute Laune habe. Mach mir den besten doppelten Cappuccino, den ich je getrunken habe, und dann sieh zu, dass du genug Zwiebeln schneidest, um ausgiebig über den Fall der Berliner Mauer zu weinen.«
Mike lächelt selbstgefällig und sonnt sich darin, seine Schimpftirade mit einer Prise moderner Geschichte gewürzt zu haben. Mein Gott, wie ich ihn hasse. Tomasz lächelt steif seine Zustimmung und begibt sich zur Kaffeemaschine.
»Komm zurück!«, schreit Mike laut genug, sodass auch der Rest der Küche aufhorcht. »Was hast du zu mir gesagt?«
»Äh, ich sage, tut mir leid«, erwidert Tomasz nervös.
»Tut mir leid?«
»Tut mir sehr leid.«
»Tut mir leid, Chef !«
Wenn Oscar verlangt, Chef genannt zu werden, ist das eine Sache, aber dieser arrogante rothaarige Fiesling?
»Tut mir leid, Chef«, murmelt Tomasz und stolpert zur Maschine, wobei jede Pore seine Demütigung ausstrahlt.
Was hat Mike für ein Problem? Als ich mir seine mickrige Gestalt und den mit Haarcreme nach hinten gekämmten Karottenschopf ansehe, kann ich mir die Hänseleien in seiner Schulzeit gut vorstellen. Komm darüber hinweg, Kumpel. Du gehst auf die fünfunddreißig zu, und es ist wissenschaftlich bewiesen, dass auch Rothaarige die Liebe finden. Sieh dir nur Mick Hucknall an. Aber das sage ich ihm offenbar nicht. Stattdessen bewege ich mich vorsichtig in Richtung Kaffeemaschine, wo ich Tomasz erfolglos mit der Milchschaumdüse kämpfen sehe. Er verbrüht sich am Schlauch und stößt brutale Flüche auf Polnisch aus.
»Hey«, sage ich und lege behutsam eine Hand auf seinen Arm, »soll ich es mal versuchen?« Entsetzt stelle ich fest, dass er zittert.
»Tut mir leid. Tut mir leid. Ich kann diesen Mistkerl Mike nicht ausstehen, aber darf Job nicht verlieren. Zu Hause kommt Baby, und wenn ich das nicht mache, nicht genug Platz dafür.«
»Gratuliere!«, sage ich und werde idiotischerweise ganz rührselig beim Gedanken an ein polnisches Baby, das ich niemals auch nur mit einem einzigen Mundvoll Borschtsch füttern werde.
»Danke, war Fehler. Aber vielleicht guter«, sagt er und gießt hastig den Kaffee in die Tasse. Ich löffele die aufgeschäumte Milch darauf, dann werfen wir einen fragenden Blick auf die Schokostreusel, weil wir nicht wissen, was Mike unter dem besten Cappuccino versteht, den er je getrunken hat. Achselzuckend streue ich ein paar drauf, ehe Tomasz mich boshaft angrinst und zur Pfeffermühle greift. »Genauso wie im Mutterland«, sagt er, »wo wir alle Wilde sind.« Er trottet
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