Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
schmeiße ich Sie raus. Aber ich denke, dass ich mich in meiner Einschätzung nicht geirrt habe.« Er zuckt die Achseln. »Sehen Sie zu, dass Sie heute genug Schlaf kriegen, Sie werden ihn brauchen.«
Eine Welle der Erleichterung durchströmt mich, als seine Worte bei mir ankommen. Ich werde trotz aller Anstrengungen Joes noch einen weiteren Tag hier erleben. Oscar grinst mich an, und ich bin entspannt genug, um seine Nähe nach und nach genießen zu können.
In dem Moment steckt Johnny seinen Kopf durch die Schwingtür. »Die Evakuierung ist fast vollständig«, sagt er, anscheinend ohne zu bemerken, dass der Boss direkt neben mir steht. »Mist, Verzeihung!«, ergänzt er.
»Ihr wollt wohl meinen Gewinn versaufen?«, erkundigt Oscar sich trocken.
»Nichts dergleichen!«, sagt Johnny im Brustton der Überzeugung. »Ich werde dafür sorgen, dass für jeden Tropfen bezahlt wird, darauf haben Sie mein Wort.«
»Schön«, sagt Oscar. »Aber sorgen Sie erst noch dafür, dass alles ordentlich aufgeräumt ist.«
Ich nehme ihn beim Wort. Aufräumen fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, aber ich will ihm unbedingt zeigen, wie groß meine Ergebenheit ist. Seine Präsenz im Hintergrund, wo er über dem Bestellungsbuch brütet und in den Kühlschränken herumwühlt, ist mir nur allzu bewusst. Normalerweise wäre er doch längst schon weg, oder mache ich mir was vor? Nach etwa einer halben Stunde sehe ich, wie er, ohne mir gute Nacht zu wünschen, die Treppe ansteuert. Aber dann dreht er sich um und kommt zu mir zurück, bleibt jedoch auf halbem Weg stehen.
»Gute Nacht, Amber«, sagt er, und ich frage mich, ob das besser oder schlechter ist als Fischmädchen. »Bleiben Sie nicht zu lang auf, Sie brauchen Ihren Schönheitsschlaf.«
Was soll das heißen? Will er mir damit sagen, dass ich hässlich oder dass ich hinreißend oder keins von beidem bin? Wie konnte ich mir nur mit der Vorstellung schmeicheln, dass er mir nachstellt? Er hat sich einfach nur professionell verhalten, aber ich bin enttäuscht.
»Mach ich. Wollen Sie nicht dazu…?« Ich beende die Frage nicht.
»Danke, aber Ihnen passiert schon nichts«, sagt er. O Gott, wie konnte ich mich nur so weit erniedrigen? »Ich kann doch nicht mit dem Personal fraternisieren.« Dieser dreiste Mistkerl. Er blitzt mich lächelnd an und verschwindet, und ich bin um keinen Deut klüger, was ihm durch seinen blöden Kopf geht.
Ich kehre in den Gastraum zurück und versuche dabei (erfolglos) das Gefühl von ihm abzuschütteln. Um die Bar hat sich ein Grüppchen versammelt, fast alle aus dem Servicebereich. Johnny natürlich und Matt der Barmann, der ein genauso großspuriger Maulheld ist wie alle seine Brüder, die ich bisher erlebt habe. Ihre Machtstellung ist einzigartig dank der Tatsache, dass sie die Schlüssel zur Hausbar besitzen, und das nutzen sie auch aus. Er stammt aus dem Norden, ist muskulös und trägt sein Haar so radikal kurz, dass man jeden knolligen Auswuchs seines Schädels sieht. Er hat was leicht Affenartiges und mustert mich auf Primatenart, aber ich weiß genau, dass er nicht die geringste Neigung hat, mich an seine Nüsse ranzulassen. Außerdem sind noch ein paar Bedienungen und Michelle, die von mir auf einen Dankeschön-Drink eingeladen worden war, da.
»Ist er gegangen?«, will Johnny wissen.
»Ja, der liegt jetzt sicher in seinem Bett«, sage ich, bemüht, meine Enttäuschung nicht zu verraten.
»Ist ja auch verdammt noch mal höchste Zeit, normalerweise hängt er nie so lang herum«, sagt er und stellt mich rasch dem versammelten Häuflein vor. Nachdem die Nettigkeiten ausgetauscht sind, schenkt er mir ein Glas Wein ein und spricht einen Toast aus. Ich stoße mit Michelle an.
»Ich hätte den heutigen Tag ohne Sie nicht überstanden«, sage ich ihr. »Sie sind ein Juwel.«
»Keine Ursache«, erwidert sie, aber es ist ihr anzusehen, wie sehr sie sich freut, nicht als selbstverständlich hingenommen zu werden. In einer Küche bedanken sich die Leute viel zu selten.
Aus Erleichterung, Tag eins überlebt zu haben, leere ich mein Glas viel zu schnell. Ich schenke allen nach und biete Matt dann Bargeld an für eine weitere Flasche.
»Lassen Sie das!«, lacht er, und ich werfe ihm einen finsteren Blick zu. Es steht ihm ins Gesicht geschrieben, dass er krumme Dinger dreht. Es braucht kein großes Geschick, einen Wodka Tonic an der Bar vorbei auszuschenken und das Geld dann selbst einzusacken. Wem fällt es schließlich auf, wenn in der
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