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Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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jetzt muss ich jede Sektion wie meine Westentasche kennen. Sein Gesicht spiegelt nackte Verzweiflung wider und fleht geradezu nach Anerkennung dessen, was er mir anbietet. Mich beschleicht der schreckliche Verdacht, dass es in seinem Leben nur Schnaps und Backen gibt, die fatale Doppelhelix, die in diesem Gewerbe jedem den Hals brechen kann. Apropos, wenn ich’s mir recht überlege, hätte ich Milly nicht … Noch habe ich das Stadium nicht erreicht, wo ich zwischen dem Sautieren rasch mal einen Schluck Whisky trinke, aber ich muss immer im Auge behalten, dass ich womöglich alt und allein sterbe und mit dem Pfannenheber die Armee von Katzen abwehren muss, die mir ans Gesicht wollen.
    Ich schlucke die Kostprobe hinunter und bin überwältigt von der Süße, die in meinem Mund explodiert. »Das schmeckt unglaublich!« Normalerweise gebe ich nicht viel auf Nachtische, vor allem nicht auf die mit Teiggrundlage, doch der Mann versteht sein Handwerk. Jetzt kann ich verstehen, warum Oscar einen Säufer eingestellt hat, einen Säufer mit Fähigkeiten.
    »Gut, non ?«, sagt er mit ängstlicher Miene.
    » Très très bon !«, lobe ich ihn mit meiner schrecklichen französischen Aussprache. Ich will gerade wieder zurück an meinen Arbeitsplatz, da steckt Oscar strahlend seinen Kopf durch die Tür.
    »Kommen Sie raus hier, Fischmädchen!«, sagt er. »Ich muss Ihnen was zeigen.«
    Im Gastraum kämpft Richard mit seinem iPhone, wobei Atticus’ Versuche, danach zu greifen, nicht sehr hilfreich sind.
    »Nimm doch mal das Baby, Tallulah!«, schlägt Oscar vor und erntet ein weiteres Augenrollen.
    »Soll ich es mal versuchen?«, sage ich und versuche, ihn aus seinem Hochstuhl zu heben. Das passt ihm ganz und gar nicht, und er strampelt mit seinen Füßen gegen meinen Bauch und streckt die Arme nach seinem Bööösen Daaad aus.
    »Hier, nimm das«, sagt R. D., reicht Oscar das Telefon an und streckt müde seine Krepppapierarme aus. Er nimmt Atticus auf den Schoß.
    »Meine Freundin arbeitet in der Lifestyle-Redaktion der Sunday Times «, klärt er mich auf. Darauf wette ich mit ihren ganzen fünfzig Kilo. »Sie hat gerade Tristram Fawcetts Kritik rübergeschickt, die nächste Woche erscheinen wird.«
    »Sie ist spitzenmäßig!«, ergänzt Oscar mit Blick auf das Telefon.
    Ich bin vor Rührung überraschend sprachlos, als stünden wir kurz davor, in die Annalen der kulinarischen Geschichte einzugehen. Ich bin wirklich der Überzeugung, dass Oscar einer der Größten sein könnte, seine wahre Brillanz sich allerdings erst jetzt, da er allein kämpft, der ganzen Welt offenbaren wird. Eine Kritik wie diese ist der Schlüssel, der ihm die Oberliga öffnen wird, eine Kritik wie diese und …
    »Du musst in höchster Alarmbereitschaft sein«, sagt Richard.
    Ich weiß genau, wovon er spricht. Angesichts solcher Beachtung, ergänzt durch die Michelinsterne, die seine vorige Küche errungen hat (selbst wenn er nicht den ganzen Ruhm für sich beanspruchen konnte), besteht kein Zweifel daran, dass ein Besuch der Prüfer nur noch eine Frage der Zeit ist. Die Tyrannei der Sterne – wenn man im Gaststättengewerbe arbeitet, hat man dazu eine Liebe-Hass-Beziehung. Es gibt nichts Schlimmeres als die pingelige unechte französische Küche (eine Krabben»emulsion«, ein »Hauch« von Pistazie), die ohne Rücksicht auf den Konsumenten zusammenfantasiert wurde, jedoch in sklavischer Ergebenheit den gallisch-gefärbten Launen des Guide Michelin zu gefallen sucht. Im Versuch, dieses bewegliche Ziel zu treffen, kann ein Koch jegliche Originalität und Brillanz verlieren. Verdammt, er kann sogar noch mehr verlieren. Ein französischer Koch beging tatsächlich Selbstmord, weil er einen Stern verlieren sollte. Aber eins steht fest: Hat man erst mal einen, hat man es geschafft. Oscars Augen leuchten, als er sich in den Text vertieft.
    »Darf ich mal sehen?«, frage ich und ziehe das Telefon sanft aus seiner fleischigen Hand.
    Oscar Retford war bereits in seiner früheren Inkarnation als Rädchen im Getriebe von Angus Torrences millionenschwerem Geschäft vielversprechend. Doch erst jetzt, da er (verbittert) seiner Fußfesseln befreit wurde, offenbart sich sein wahres Genie. Seiner Küche liegt eine täuschende Einfachheit zugrunde. Ein Gericht, das in seiner Beschreibung ganz schlicht klingt, wird durch die subtilen, aber äußerst inspirierten Innovationen, mit denen er es versieht, zu etwas Großartigem .
    Und so geht es weiter und weiter und gipfelt sogar

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