Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
um die Brust. Er grinst mich an.
»Und man könnte sagen, es war entzückend.« Dabei streicht er mit einem Finger seitlich über mein Gesicht. »Mehr als entzückend, verdammt spektakulär. Aber jetzt brauche ich deine anderen Fähigkeiten.«
»Vergiss nicht, dass ich heute nur für eine Schicht da bin. Ich habe die Abendschicht frei.«
Oscar verzieht entrüstet das Gesicht. »Du kannst mich doch heute nicht im Stich lassen«, grummelt er. »Nicht nach dieser schmutzigen Bombe von einer Rezension …«
»Ich habe das schon vor einer Ewigkeit ausgemacht. Außerdem hatte ich in dieser Woche so viele Doppelschichten, dass ich auf dem Zahnfleisch gehe.« Falsch, falsch und noch mal falsch. Beklag dich nie über die vielen Überstunden, vor allem nicht, wenn du nackt bist. »Der Grund ist das Geburtstagsessen meines Bruders. Das kann ich unmöglich sausen lassen.«
»Wie alt ist er?«
»Äh, vierunddreißig.«
»Und wie alt bist du?«
»Was denkst du denn?«
»Darauf falle ich nicht herein«, sagt er verschmitzt.
»Ich bin einunddreißig.«
»Zehn Jahre«, sagt er und trinkt hastig einen Schluck Kaffee. »Dann warst du vierzehn, als ich Vater wurde. So, das war’s, zieh deine Sachen an.«
Ich sehe ihn mit banger Miene an. Es ist offensichtlich eine Katastrophe, aber mehr Demütigung ertrage ich nicht.
»War nur ein Scherz!«, sagt er wieder, stellt seinen Kaffee ab und rollt sich neben mich. »Nur ein Scherz«, sagt er weicher, küsst mich und erforscht mit seinen Händen meinen Körper. Er ist wie eine Droge. Sobald er an mir dran ist, bin ich vollkommen verloren. War das bei mir schon immer so, oder ist er besonders gut darin? Um diese Frage zu beantworten, muss ich an Dom denken, doch in diese Richtung will ich mich nicht bewegen, solange mir eine so gute Ablenkungsmöglichkeit zur Verfügung steht.
Eine halbe Stunde später stehe ich unter Oscars Powerdusche und versuche mich gedanklich auf die Realität der nächsten acht Stunden einzustellen, in denen ich »Ja, Chef« trällern werde, und das bei einem Mann, der die vergangenen acht Stunden damit zugebracht hat, jeden Quadratzentimeter meines Körpers zu erforschen. Bloß nicht zu weit im Voraus denken – ich muss einfach den heutigen Tag so professionell wie möglich hinter mich bringen und mir dann eine Meinung bilden. Und es wäre mir bei Gott lieber, wenn ich nach nur drei Stunden Schlaf heute nicht zu Ralphs Geburtstagsessen gehen müsste. Die Mitleidsflut, die mich dort erwartet, kann ich mir gut vorstellen. Arme Amber, so jung geschieden und sieht doch so verlebt aus wie Ronnie Wood . Ich werde eine ganze Fabrik an Foundation benötigen, um auch nur als einigermaßen präsentabel durchzugehen.
Ich wickle mich in ein dickes Handtuch und sehe mich plötzlich vor unüberwindlichen Hindernissen. Wie zum Teufel soll ich nach unten gehen, ohne dass jemand mitbekommt, woher ich komme? Außerdem habe ich überhaupt keine sauberen Klamotten. Ich werde wohl wie eine alte, dem Suff verfallene Schlampe meinen Slip auf links drehen müssen. Oscar ist in der Küche und hat schon seine Arbeitskleidung an.
»Ich habe schlechte Nachrichten für dich.«
»Hast du Syphilis?«
»Nein, sag so was nicht! Du wirst deine Laken zusammenknoten müssen, damit ich mich aus dem Fenster abseilen kann.«
»Sei nicht albern, du flüchtest nicht aus Alcatraz. Ich werde nach unten gehen und nachsehen, ob die Luft rein ist, dann tust du so, als würdest du durch den Vordereingang kommen.«
»So einfach ist das nicht! Was ist, wenn Lydia dort ist? Oder Johnny oder …« Es ist ihm anzusehen, dass ihn das weit weniger kümmert als mich, und einen Moment lang frage ich mich vor Eifersucht, ob er es nicht Lydia ins Gesicht reiben möchte. Vielleicht bin ich das Bauernopfer in einem unredlichen Spiel zwischen ihnen, eine Rachenummer, die ihr klarmachen soll, wer gewinnt.
»Ich kann mich natürlich täuschen, aber nach einer Abseilerin siehst du mir nicht aus, weshalb ich eigentlich keine großen Alternativen sehe.« Er zuckt die Achseln. »Selbst schuld, du musstest dich ja an mir schadlos halten. Wärst du nicht derart heiß gewesen, könnten wir schon seit einer Stunde unten sein.«
Mein Gott, dieser Mann macht mich rasend, aber zum Glück hat er recht, und die Luft ist rein, und ich kann ohne Probleme das Haus durch den Hintereingang verlassen. Während der folgenden halben Stunde sind wir bemüht, einander zu ignorieren, ich, indem ich von einem Platz zum anderen renne
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