Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
über einer heißen Pfanne geschuftet? Aber fang bloß nicht an, das auf deinen Job zu schieben.«
Eher unter einem heißen Boss geschuftet. Wonne durchrieselt mich beim Gedanken an diese letzte Textnachricht, allerdings werde ich Ralph keineswegs etwas von meinem Fehltritt erzählen.
»Moment mal, ich habe doch was über deinen Führer gelesen, was ich dir unbedingt sagen wollte.«
»Was? Diese fürchterliche Kritik in der Sunday Times ? Das war völliger Bockmist.«
»Nein, nein, nicht das. Beth hat es entdeckt, ich werde sie fragen.«
Ich folge ihm den Flur hinunter und überschütte dabei Franks rundes rosa Gesicht mit Küssen, was er sich fröhlich kichernd gefallen lässt. Dieser Junge kommt definitiv nach seinem Vater. Mein Bruder war schon immer der Star der Show, der bewunderte Erstgeborene, dem Ben und ich wie einem gesalbten König folgten. Er bestimmte, welche Spiele gespielt wurden, wer die oberste Koje bekam, ob Fischen cool war oder nicht (es war cool, dann wieder nicht). In der Schule war es genauso. Unglaublich hell im Kopf und sportlich war Ralph der geborene Anführer. Dass er es nach Cambridge schaffte, war keine große Überraschung, aber ich vermute, dass es ihm nicht leichtgefallen sein dürfte, sich dort als kleiner Fisch in einem großen Teich zu fühlen. Doch er fand auch dort seine Anhänger.
»Hallo, alle!«, rufe ich freudig und werfe einen vorsichtigen Blick auf die versammelte Mannschaft. Jahr für Jahr der immer gleiche Haufen: Der »Große Greg«, so genannt, weil er, nun ja, groß und schwer ist; der Elegante Anthony und der Schwule Bryan, mit ihren jeweils anderen Hälften. Ich lasse noch einen weiteren Blick durch den Raum schweifen, in der Hoffnung, Beths ältere Schwester Laura zu entdecken, eine Auslandskorrespondentin mit bissigem Humor. Jahr für Jahr habe ich zu Dom gesagt, dass ich nicht verstehen kann, wieso sich die noch keiner geschnappt hat, ein Kommentar, den ich erst jetzt, ohne Ring und selbst verletzlich, als ungeheuer herablassend empfinde.
Beths Kopf steckt in den Tiefen des Bratrohrs. »Tu’s nicht!«, witzele ich, aber sie ist zu gestresst, um zu lachen. Sie gibt mir einen Begrüßungskuss. Mit dem Mehlstaub im Haar sieht sie aus wie eine verwirrte Greisin.
»Soll ich Milch zu den Karotten geben?«, zischt sie drängend.
»Für Frank? Tut mir leid, aber ich habe nicht die leiseste …«
»Nein, nicht für Frank! Für die Karotten. Ich püriere sie.«
» Milch in Karotten? Karottenpüree?« Ich gebe mir große Mühe, mir nicht anmerken zu lassen, wie abstoßend ich allein die Vorstellung finde. »Nein, das würde ich nicht tun.« Ich will nicht Zeuge von Beths Verzweiflung sein. Streichen Sie’s, ich will keine Massenlebensmittelvergiftung riskieren. »Hast du eine Schürze?«, frage ich, und sie wirft dankbar eine in meine Richtung.
Während ich die armen unschuldigen Karotten vor drohender Auflösung rette, sehe ich, dass Ralph eine strahlende Milly mit dem Eleganten Anthony bekanntmacht, der dieses Jahr allein gekommen zu sein scheint. Warum sollte sie auch nicht strahlen? Er ist groß und ein dunkler Typ mit einem unglaublich markanten Kinn und einem so strahlenden Lächeln, dass es einen blenden könnte. Er ist auch Mediziner mit geschliffenem Akzent und obendrein einer hübschen Wohnung am Fluss. Tragischerweise hat er ein heftiges Charmedefizit. Für eine Warnung ist es bereits zu spät, also wird sie die Enttäuschung selbst erleben müssen.
Ralph lässt die beiden allein und bringt einen singenden Frank mit an den Herd. Ich glaube, die Melodie geht in Richtung »Pferdchen lauf Galopp«, was sich aber anhand der Worte nicht erschließen lässt – »Huu Har Burpoy« scheint der Hauptrefrain zu sein. Vielleicht sollten wir es alle aufgeben und zu Moldawisch übergehen. Vielleicht ist das das neue Esperanto.
Beth freut sich sichtlich erleichtert über diese Ablenkung. »Ich werde ihn nur schnell zu Bett bringen, wenn es dir nichts ausmacht, hier die Stellung zu halten.«
Ich überlege kurz, ihr anzubieten, dass ich das doch tun könnte, aber abgesehen von der Gefahr einer Lebensmittelvergiftung sehe ich ihn so selten, dass er mich womöglich für den Kinderfänger halten würde. Also begnüge ich mich damit, ihm sein blondes Haar hinter die Ohren zu streichen und ihm ein wenig traurig einen Gutenachtkuss zu geben. Als ich mich von ihm löse, stupst Ralph mich hart in die Rippen.
»Na, was ist, gibt’s was Interessantes zu berichten?
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