Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
waren.
Nach und nach kam er wieder aus sich heraus, übernahm die eine oder andere Schicht im Pub und mischte ein wenig in der Lokalpolitik mit. Langsam kehrte ein normaler, wenn auch brüchiger Friede ein, bis wir einer nach dem anderen uns lösten, um unser eigenes Leben zu beginnen. Es ist etwas, worüber wir heute kein Wort mehr verlieren. Ich weiß nicht, ob dem so ist, weil alle anderen wirklich darüber hinweg sind, und nur ich allein ein dummer, störrischer Maulesel, oder weil sie alle für sich den verlockendsten Weg gewählt haben: Verdrängung.
Beth kommt eilig mit dem letzten Gast herein, und da es sich dabei auf jeden Fall nicht um Jerry Springer handelt, werde ich mir weiteres grausames Eintauchen in die Familienabgründe ersparen. Es ist Laura. Um meinen inneren Aufruhr zu entladen, umarme ich sie viel zu stürmisch.
»Wie schön, dich zu sehen, Amber«, sagt sie ein wenig belustigt.
Ich löse mich von ihr und nehme sie richtig in Augenschein. An Laura gefällt mir, dass sie nicht zu den Frauen gehört, die ihr Leben mit der Jagd nach der ewigen Jugend zerstören und dabei unbekümmert die Tatsache übersehen, dass diese so unwahrscheinlich ist wie ein Einhorn, das sich im Garten niederlässt. Mir gefällt, dass sie Fältchen um die Augen hat und auch ein wenig grau an den Schläfen ist. Das soll nicht heißen, dass ich selbst auch den Mut dazu besäße, doch ich finde, dass sie damit für die Frauen eintritt. Sie ist attraktiv, aber ihre Ausstrahlung beruht auf ihrer schnellen Auffassungsgabe und einem scharfen Verstand, der zusätzlichen Schliff dadurch erhielt, dass man sie als Journalistin in einige der unheimlichsten Winkel dieses Planeten geschickt hat.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen! Erzähl mir deine Neuigkeiten«, sage ich, als Beth uns subtil Richtung Tisch und weg vom Geruch nach Angebranntem aus dem Backofen scheucht. Ach du liebe Zeit, ich hätte mich nicht ablenken lassen sollen.
»Meine Neuigkeiten …«, sagt Laura. »Ich freue mich, berichten zu können, dass ich endlich Neuigkeiten habe! Und er wird gleich hier sein.«
Während wir unsere Plätze einnehmen, klärt sie mich auf. Ich wusste aus Gesprächen mit ihr von ihren schnelllebigen Affären, die ihr alle nicht wichtig genug erschienen, um ernsthaft als Begleitung in Erwägung gezogen zu werden, jedenfalls nicht in den fünf Jahren, seit ich sie kenne. Erst jetzt hat sie endlich jemanden kennengelernt oder besser gesagt, jemanden neu beurteilt – James, einen Arbeitskollegen, den sie schon seit mehr als zehn Jahren kennt. Seit seiner kürzlichen Trennung war sie die Schulter, an der er sich ausweinen konnte, und nach und nach wurde mehr daraus. Vor sechs Monaten ist er bei ihr eingezogen, und es ist alles in Ordnung.
»Das ist fantastisch«, sage ich und stelle wieder einmal erstaunt fest, wie schnell sich das Leben ändern kann. Ich schiebe mein geistiges Leiterspiel-Spielbrett beiseite und versuche stattdessen mal das Pollyanna-Prinzip. Das Schicksal geht geheimnisvolle Wege – binnen eines Lidschlags bist du vom elenden Singledasein erlöst und ein glückliches Paar. Da habe ich all die Jahre darüber lamentiert, dass jemand, der so fabelhaft ist wie Laura, niemanden kennenlernt, aber jetzt wurde der Gerechtigkeit Genüge getan. Leider führt mich das wieder zu Rachel und ihrer Methode, meine Ehe auszuschlachten und sich ein gemütliches Nest aus Haut zu bauen. Ich glaube nicht, dass Pollyanna sich jemals fleischfressende Ungeheuer schönreden musste.
Es gelingt mir, Laura an meiner Linken als Tischnachbarin zu behalten, aber meine rechte Seite, die schnell vom Schwulen Bryan besetzt wird (wie schwul muss man eigentlich sein, um Brian mit einem y zu schreiben?), ist kein so großer Erfolg. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe mich nicht in eine verbiesterte Schwulenhasserin verwandelt. Doch Bryan ist so augenfällig schwul, dass ich nicht verstehen kann, warum er darauf besteht, mit einer Frau verheiratet zu sein. Milly indessen ist im siebten Himmel, weil sie links von Anthonys markantem Kinn sitzt. Sie zeigt mir kaum wahrnehmbar den erhobenen Daumen und ahnt glücklicherweise noch nicht, welch komatöses Gespräch sie erwartet.
»Hi«, sagt Robin, Bryans ernsthafte amerikanische Frau, als sie neben ihm Platz nimmt. Sie ist klein und ein dunkler Typ, und man könnte schwören, dass sie mit ihrem zum helmartigen Bob geschnittenen Haar bei der normannischen Eroberung mitgewirkt hat. Jedenfalls finde ich
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