Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
würde auch andersherum funktionieren. Denn ich fände es toll, wenn meine Kontoüberziehung mich dazu beflügeln würde, in ausgelassener Fröhlichkeit mit nichts weiter als meinem Slip bekleidet die Oxford Street hinunterzutanzen.
»Es gibt mir das Gefühl, als wäre ich sterilisiert worden.« Wir prusten beide los vor Lachen, und ich atme erleichtert auf. »Falsche Formulierung. Es ist nur … dadurch wird alles, was ich tue, ein wenig sinnlos. Dieses Geld könnte ich mit Arbeit nie verdienen, nie und nimmer. Vielleicht ist das der Grund, warum ich es nie versucht habe. Und jetzt sieh mich an, ich bin einunddreißig und eine Art von Gutmensch, habe ein ausgelassenes Privatleben und jede Menge Kaschmirstrickjacken auf Lager.«
»Sei nicht so hart zu dir«, sage ich, als mir klar wird, was sie meint. Ich bin mir sicher, dass einige Leute Milly jedes Recht absprechen würden, sich elend zu fühlen: keine finanzielle Verantwortung, ein Elfengesicht, keine Cellulitis, vier gesunde Gliedmaßen. Ich schäme mich, zugeben zu müssen, dass ich gelegentlich auch zu diesen Bedenkenträgern gehört habe. Aber nun erkenne ich, dass genau dies der Grund ist, der sie immer wieder runterzieht – das Gefühl, dass sie eigentlich glücklich sein sollte und keine irdische Rechtfertigung dafür hat, es nicht zu sein. Es ist ein verzwickter Fall von psychologischem Lampenfieber. »Wer du bist und was du tust, sind doch zwei Paar Stiefel. Ich hoffe, das hört sich jetzt nicht an, als hätte ich eine Zeitreise von Woodstock zurückgelegt, aber dass du so bist, wie du bist, das ist doch wunderbar, und es ist genug.«
»Wie kannst ausgerechnet du so etwas sagen? Wo dir doch dein Beruf alles bedeutet?«
»Er bedeutet mir nicht alles«, werfe ich ein. Erwecke ich tatsächlich diesen Eindruck?
»Nein, nicht alles. Tut mir leid … aber es macht dich glücklich.«
»Ja, und ich glaube auch, dass ein richtiger Job dir das geben würde, was du brauchst. Aber das soll nicht heißen, dass du ohne Job wertlos bist.«
»Danke, Süße«, sagt sie und drückt meine Hand. »Ich weiß zwar, dass du es nicht annehmen würdest, aber du sollst dennoch wissen, dass ich dein überzogenes Konto auf der Stelle ausgleichen würde, wenn dir das recht wäre.«
»Du nimmst doch ohnehin schon nichts für die Miete. Spar dir deine Mittel für die kleinen afrikanischen Kinder«, sage ich, noch immer verunsichert.
Wir sind schon fast an unserem Ziel angelangt, aber ich schaffe es trotzdem, die Höhepunkte der letzten vierundzwanzig Stunden zusammenzufassen. Milly hört mit offenem Mund zu. »Versprich mir, dass du vorsichtig bist«, sagt sie, als das Taxi in Ralphs Straße einbiegt. »Du musst mit dir umgehen wie mit Porzellan.«
Sie hat natürlich recht, und man muss mir das auch sagen. Während wir den Weg hochgehen, bekomme ich die nächste SMS von Oscar – ein wenig netter, nicht ganz so schlüpfrig –, doch ich halte mich zurück und antworte nicht darauf. Er mag in der Küche zu Recht das Sagen haben, aber es gibt keinen Grund, dieses Privileg auf alles andere auszuweiten.
Ralph öffnet uns die Tür, er sieht fröhlich aus. Sein struppiges blondes Haar steht schräg ab, und sein kariertes Hemd ist halboffen. Dahinter steckt bestimmt nicht Beth, sondern sein kleiner Wonneproppen von einem Kleinkind, das er mühelos auf dem Arm trägt. Ralph war immer schon groß und breit gewesen, er könnte Sechslinge im Arm halten, ohne ins Schwitzen zu geraten.
»Feltopp anko dip?«
»Hallo, Frank«, sage ich und beuge mich über meinen zweijährigen Neffen. Gott, wie ist er umwerfend, nur dicke Backen und blondes Haar. Er streckt seine klebrigen Finger nach mir aus.
»Kuptic«, ergänzt er und strahlt vor Vergnügen über seinen Gesprächsbeitrag.
»Spricht er immer noch nur Moldawisch?«, frage ich.
»Diesem Jungen ist noch kein Wort über die Lippen gekommen, das wir auch verstehen. Nicht, dass ich lüge, wir glauben, er hat letzten Mittwoch ›Oma‹ gesagt, aber schwören könnte ich es nicht.«
»Und außerdem ist es seine Abkürzung. Die zählt nicht wirklich.«
»Ich würde mich über jede Abkürzung freuen«, sagt Ralph und reicht mir seinen Sprössling, damit er Milly umarmen kann. »Hallo, Fremde«, sagt er. »Ich hab dich seit einer Ewigkeit nicht gesehen.«
»Du solltest uns mal besuchen kommen«, sagt sie.
»Die Aussicht auf eine Audienz bei meiner Schwester ist doch eher gering«, erwidert er und tippt auf seine Uhr. »Hast wohl wieder
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