Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
kämpfen mussten.
»Gewissermaßen«, sage ich und frage mich, ob ich ihm eine entsprechende Erklärung geben soll, doch ich fürchte, dass mich dies direkt zurück zu Dom führt. Ehe ich eine gereinigte Fassung zusammenbasteln kann, ist Oscar schon an mir dran und zieht mir mein Kleid von den Schultern, um sich so fixiert wie Dracula über meinen Hals herzumachen.
»Langsam«, flüstere ich. »Rede mit mir.«
»Reden wird überschätzt.«
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe es, begehrt zu werden, aber es mir ganz wichtig, zu ihm vorzudringen. Kontakt herzustellen.
»Du wirst dir den Vorschlag von Milly gut überlegen, nicht wahr? Und dich nicht einfach draufstürzen?«
»Meine Güte, was hast du denn für Probleme damit?«, sagt er und zieht sich zurück. »Was denkst du, hältst du mich für einen Schwindler?«
»Natürlich nicht!«
»Oder geht es um mich? Bist du dir meiner nicht sicher? Möchtest du sichergehen, dass du einen sauberen Schnitt machen kannst?« Sein Kinn ist jetzt hart, die Augen sind es ebenso.
»Nein, ganz und gar nicht. Ich finde nur, dass es eine große Sache ist …« Ihm zu erklären, wie sehr mich dieser Cocktail aus Arbeit und Freundschaft beunruhigt, klänge zu egoistisch, als wäre seine Existenz zweitrangig und mir meine Spielkameradin wichtiger.
»Natürlich ist es eine große Sache, deshalb muss sie sich das auch gründlich überlegen. Aber wenn es sie glücklich macht, macht es mich auch glücklich. Und du solltest ebenfalls glücklich sein«, ergänzt er mit Nachdruck.
»Okay«, sage ich und lasse es gut sein. »Du hast recht.« Ich küsse seine raue Wange und streichele sein Gesicht.
»Das fühlt sich gut an«, sagt er und lässt seine Hände nach unten wandern.
Ich halte seine Handgelenke fest. »Können wir einfach ein bisschen so liegen bleiben?«, sage ich, weil mich plötzlich eine nostalgische Sehnsucht nach jenen Teenagerbeziehungen überkommt, deren kompliziertester Teil darin bestand, einen Jungen an meiner Mutter vorbeizumogeln, damit wir uns für eine harmlose Knutscherei auf mein Bett legen konnten. Damals fühlte ich mich als große Verführerin, zumal seit ich Forever gelesen und daraus ein paar Tipps entlehnt hatte. Die Autorin Judy Blume hat noch viele Fragen offengelassen.
»Okay, mein Schatz, wenn du das möchtest.« Er dreht sich zu mir herum und mustert mich.
Ich sehe ihn gern an und betrachte forschend sein Gesicht, aber ich spüre seine Ungeduld. Der Panther der Paranoia umschleicht mich. War Lydia eine faszinierendere Gesellschaft als ich? Vielleicht empfindet er mich als beklagenswert schlicht und mädchenhaft, da er eine Frau gewohnt ist.
»Erzähl mir was«, fordere ich ihn auf und zeichne die Linien seiner Handfläche nach. »Erzähl mir von deiner ersten Freundin.«
»Das war im Grunde genommen Lydia.«
Ich versuche nicht daran zu denken, wie einflussreich sie ist, wie vereinnahmend.
»Was war in der Schule? Du wirst doch einen Highschoolschwarm gehabt haben?« Diese Frage stelle ich mit einem albernen falschen amerikanischen Akzent, ein unbeholfener Versuch zu kaschieren, wie viel mir seine Antwort bedeutet. Ich möchte mehr über ihn erfahren, möchte, dass die Momente der Ruhe zwischen all dem Chaos etwas Nachhaltiges bewirken, worauf wir etwas aufbauen können.
»Miriam Chalmers. Lange braune Haare, endlos lange Beine.« Er sieht mein Gesicht und lacht. »Kein Vergleich mit dir natürlich.«
»Ich hab’s kapiert, aber wie hast du dich bei ihr gefühlt?«
»Weiß nicht. Scharf auf sie?«, sagt er ein wenig erschöpft. »Ich gebe das wirklich nur ungern zu, aber das ist so ziemlich das einzige Gefühl, das Teenagerjungs verspüren. Gott sei Dank habe ich ein Mädchen. Wieso ist dir Miriam Chalmers so wichtig? Ich habe seit zweiundzwanzig Jahren nicht mehr an sie gedacht.«
»Hast du sie deiner Mama vorgestellt?«
»Habe ich, ein fataler Fehler. Sie hat sie gemustert, als wäre sie ein überfahrenes Tier.«
»Dann warst du also ein Muttersöhnchen?«
»Ne, nur irisch-katholisch. Liebe ist des Teufels und so.«
»Ich wusste gar nicht, dass deine Familie …«, beginne ich, doch da küsst er mich bereits und macht meinen Mund ziemlich überflüssig (für Columbo-Zwecke). Ich beklage mich ja gar nicht, allerdings verunsichert es mich, wie wenig ich über ihn und auch wie wenig er über mich weiß. Ich weiß, welches Gefühl er in mir weckt, weiß aber noch nicht warum. Ich werde eine tiefschürfende archäologische Grabung
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