Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
in all den Winkeln und Rissen seiner Vergangenheit vornehmen müssen.
Dafür ist keine Zeit. Inzwischen streift er mir bereits mein Höschen in einer einzigen Bewegung vom Leib und drängt mich in die Rückenlage. Ich lasse mich gehen und tauche ein in den Augenblick. Er umschlingt mich und ergreift vollständigen Besitz von mir.
»Ich liebe dich«, murmelt er emphatisch. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, hauche ich, die Finger tief in sein schmutzblondes Haar vergraben, und Erleichterung überwältigt alles andere.
Kapitel 11
»Was soll das hier werden? Das wüsste ich wirklich gern. Wollen Sie tatsächlich einen Michelin-Juror dazu bringen, dass er sich in meinem Restaurant übergibt?«
Wie gesagt, er liebt mich. Und starrt auf mein zusammengefallenes Blauschimmelkäsesoufflé, als wär’s ein dampfender Kuhfladen.
»Nein, offenbar … Nein, Chef. Es war mein erster Versuch, es hat nicht funktioniert. Ich fange noch mal von vorn an.«
»Nein, das werden Sie nicht tun. Wann kapieren Sie endlich, dass Vegetarier ganz unten auf der Liste meiner Prioritäten stehen? Konzentrieren Sie sich darauf, anständige Gerichte zu kochen, die eine gewisse Chance haben, eine Auszeichnung zu gewinnen. Und Sie …«
Er richtet seine Argusaugen jetzt auf Tomasz. Wie Sie sich vermutlich schon zusammengereimt haben, ist der Dienstagnachmittag im Ghusto vom Garten Eden noch weiter entfernt als normalerweise. Um sich ein Urteil darüber zu bilden, ob wir die Auszeichnung des Standard bekommen, wird ein ehemaliger Koch vorbeikommen und eine ganze Abendschicht beobachten, wobei jeder Aspekt dieser Operation in allen forensischen Details untersucht wird. Oscar ist besessen davon, uns alle so darauf zu drillen, dass sich an diesem Abend auch ja keiner einen Patzer erlaubt, vergisst dabei jedoch, dass er mit seiner Verbissenheit das genaue Gegenteil garantiert. Tomasz ist ganz versunken ins Schnittlauchschneiden und führt sein Messer, als wär’s ein Krummsäbel. Er bemerkt Oscar erst, als dieser drohend über dem Brett steht und angewidert sein Werk betrachtet.
»Was ist das? Sie pulverisieren den Mist ja!«, schreit Oscar. »Wenn es Matsche ist, geht jedes Aroma flöten. Es ist kein Kompost.« Er fegt alles, was auf dem Brett liegt, zu Boden, was Tomasz mit offenem Mund geschehen lässt. »Fangen Sie noch mal an.«
»Ja Chef«, sagt er und bückt sich, um sauber zu machen. »Tut mir leid, Chef.« Aber Oscar ist längst weitergezogen und sucht mit Stielaugen nach seinem nächsten Opfer.
»Wenn diese Juroren hier irgendwas finden, was nicht annähernd perfekt zubereitet ist, werde ich den Verantwortlichen schon entdecken und ihm den Hals umdrehen. Ihr seid gewarnt.« Dabei bohrt er seinen Finger in meine Richtung. »Und das gilt auch für Sie.«
Und atmen. Gut möglich, dass mehr als blanker Ehrgeiz sein Feuer entfacht. Tallulahs Abendessen ist für heute anberaumt, sechzehn verwöhnte Teenager mitten im Abendservice. Ich weiß, auch mein Dad hätte Perfektion angestrebt, wenn er für etwas derart Wichtiges verantwortlich gewesen wäre. Meine Hochzeit war so ein Fall. Meine Mum war viel zu beschäftigt, um sich mit den Hochzeitsvorbereitungen zu befassen, aber Dad sorgte dafür, dass wir von allem das Beste bekamen. Vielleicht ist es Oscars verzweifelter Versuch, damit einen Ausgleich für die zu wenig miteinander verbrachte Zeit zu schaffen. In den sechs Wochen, in denen ich mit ihm zusammen bin, weiß ich nur von einem einzigen Mal, das sie bei ihm übernachtet hat, und der Rest ihrer »schönen Stunden« beschränkt sich auf ein gelegentliches Essen im Restaurant. Ich bin mir sicher, dass ihm der heutige Abend mehr bedeutet, als er zugeben kann.
Er ist wieder hinausgestürmt und gibt mir Gelegenheit, einen verstohlenen Blick auf die Uhr zu werfen. Wieder habe ich Marsha für den allerungünstigsten Moment herbestellt. Es ist schon nach fünf, sicherlich ist sie bereits da. Ich gehe kurz nach vorne ins Restaurant, eine Bastion der Ruhe verglichen mit dem Kriegsgebiet, aus dem ich komme. Und da steht Marsha, neben sich ein Glas Leitungswasser, und geht mit Johnny die Weinliste durch.
»Da ist sie ja!«, sagt Johnny lächelnd wie immer.
Ich halte die Luft an. Dass Marsha hier sitzt, ist so unpassend, und das liegt nicht nur an ihren unklug gewählten Cordklamotten. Hier treffen Welten aufeinander, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was Milly betrifft. Man hat in Windeseile den Papierkram erledigt, der kurz
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