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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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möchte Sie zum Essen einladen. Heute abend. Und allein. Nicht einer gemeinsamen Freundin zu Gefallen, sondern weil es mir ein Bedürfnis ist. Deshalb bin ich heute früh hierher gekommen.«
    Sie wandte sich nun zu ihm hin; kein Gedanken mehr an die Morgenarbeit. Das war ihm schwer gefallen, fast wie einem Pennäler beim ersten Rendezvous. Sie fand es irgendwie rührend. Was, das wußte sie nicht so genau. Aber sie spürte ein Pochen, das dem Stampfen der Hufe auf der Rennbahn in nichts nachstand.
    »Es wird mir ein Vergnügen sein«, sagte Brigid und meinte es auch so.
    »Einen nicht so fröhlichen guten Morgen, Turffreunde. Schlechte Nachricht aus dem Westen. Mr. Stuart Rosser, Besitzer der Lazy R Ranch in New Mexico und des Derbyaspiranten Fireaway, erlag gestern abend einem ›akuten Herzversagen‹, wie im Leichenschaubericht zu lesen steht. Das Unglück ereignete sich auf dem Herflug in seiner Privatmaschine mit seiner Frau, der früheren Christine Norvelle, die von hier stammt. Sein Trainer Owen Chalmers saß am Steuerknüppel. Mr. Rosser war schon seit längerem schwer herzkrank, und die Aufregungen des bevorstehenden Derbys sind schon bisweilen für Gesündere zuviel gewesen. Es fragt sich nun, ob Fireaway, der zu den Favoriten zählt, am Samstag starten wird. Wozu wird sich die Witwe, hierzulande als gefeierte Schönheit noch gut in Erinnerung, entschließen? Fireaway steht bereits in den Derbyboxen an der Downs-Rennbahn. Sollte er an den Start gehen, dann wäre es das erste Mal in der Geschichte des Derbys, dieses Jahrmarkts der Eitelkeiten, daß zwei Brüder als Trainer gegeneinander antreten. Das andere Pferd ist Hotspur, im Besitz und trainiert von Clay Chalmers. Der unbestätigten Gerüchten zufolge selbst noch nicht genau weiß, ob sein kleiner Rappe in die Startbox gehen wird. Mehr darüber morgen in meinem Bericht über das Derby Trial. Unser aller Beileid, Mrs. Rosser. Vergeben Sie uns, wenn wir uns nun weniger bedeutsamen Themen zuwenden.
    Die James Olivers und ihr Sohn Leonard, die ebenso blaublütigen Besitzer von True Blue – dem einzigen anderen Derbyteilnehmer, der außer Hotspur und Dealer's Choice im Trial morgen laufen wird –, haben angeblich vierundfünfzig Hotel- und Motelzimmer für ihre über hundert Gäste mit Beschlag belegt, die sie während der Derbywoche fürstlich in Südstaatenmanier bewirten werden. True Blue, viel versprechend, aber selten erfolgreich, ist morgen und am Samstag Ihre Aufmerksamkeit wert.
    Noch ein prächtiger Dreijähriger, in meinen Augen ein Bild von einem Pferd, der zwar nicht für das Derby, wohl aber für das Preakness und das Belmont gemeldet ist, Erik der Rote mit Namen – nach einem Helden der nordischen Saga, wie mir erklärt wurde – wird morgen ebenfalls im Trial auf die 1.400 Meter lange Strecke gehen. Die Besitzer, ein Maler und seine Frau, durch einen Vulkanausbruch aus ihrer isländischen Heimat vertrieben, sind eine Bereicherung der diesjährigen gesellschaftlichen Szene.
    Noch übertroffen von den Besitzern des berühmtesten Derbyteilnehmers Vincent Van – erinnern Sie sich an das aufregende Fotofinish im Wood Memorial –, den Harold Johnstons, die in ihrem Herrensitz Thistle Hill in Bourbon County, nur ein paar Kilometer von Paris, Kentucky, entfernt, nonstop ein rauschendes Fest feiern. Neider berichten, daß der Bourbon und der Champagner in Strömen fließen und die Gäste in eingeflogenem Räucherlachs aus Ketchican, Haifischflossensuppe aus Bangkok und Beluga-Kaviar schwelgen. Scheichs und Maharadschas, Kabinettsmitglieder und andere Gurus, Banker und Broker, Gewerkschaftsbonzen sowie unsere Lokalgrößen mit den jeweiligen Damen geben sich die Ehre. Wobei es sich vielleicht nicht immer um Damen handelt.
    Inzwischen ist offiziell Regen vorhergesagt worden – was also heißt, daß es trocken bleibt. Falls Sie den wissenschaftlich belegten Orakeln und meiner Wenigkeit glauben, dann ist für das Trial morgen Hotspur mein heißer Tip – falls der Himmel die Schleusen öffnet. Adios für heute, und weiterhin viel Vergnügen.«
    Durch das dunkle Ästegewirr, die weißen Blüten und zartgrünen Blätter der Robinie war nur ein kleines Stück Himmel zu sehen, bläulich und fern, ohne Hinweis auf die sengende Hitze, durch die sie gefahren waren, oder auf den Regen, den er nun für abends oder den nächsten Morgen erwartete. Kimberley lag neben ihm im duftenden Gras. Der träge dahinfließende, fast wie ein See breite Fluss hatte

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