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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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oder?«
    Walter Drake wäre fast ein Fluch entschlüpft, den er sonst nie in den Mund nahm, aber er lehnte sich in die Polster und versuchte, das Geschwätz des Fahrers zu ignorieren. »Zigarette im Heu haben sie gesagt, und eine Menge Rauchschäden, aber sonst nichts. Und darum wird so ein Trara gemacht.« Auf der Herfahrt hatte der Mann sich damit gebrüstet, daß er gebürtiger Louisvillianer sei, es ihn aber ansonsten völlig kalt lasse, ob ein Gaul schneller als ein anderer lausige eineinhalb Meilen rannte.
    Die Menschen hatten sich wieder in ihre Häuser zurückgezogen, und die meisten Lichter waren erloschen.
    Walter hatte überlegt, ob er Susan anrufen und ihr sagen sollte, daß mit Prescription alles in Ordnung war, aber er wollte ihren Schlaf nicht stören. Sie war nicht aufgewacht, als Chip Cardinal, sein Trainer, wegen des Feuers angerufen hatte, wahrscheinlich wegen der zweiten Schlaftablette, die sie auf sein Anraten hin genommen hatte.
    Susan war daraufhin dann doch eingeschlafen, während er sich im anderen breiten Bett ruhelos hin und her wälzte und an die Vergangenheit dachte. Erinnerungsfetzen. Ihre Tochter Margo vor ihrem ersten Ball, erwartungsvoll und strahlend in einem aprikosenfarbenen Gewand. Sentimentale Bilder wie dieses. Aber auch andere: Terrys schmerzverzerrtes Gesicht in der Notaufnahme des Krankenhauses nach dem zweiten Unfall, als er sich mit dem Wagen überschlagen hatte und dabei fast umgekommen war. Walter hasste allmählich seine Erinnerungen, und besonders die angenehmen. Denn das war Susans Problem, die Sehnsucht nach den vergangenen Zeiten, die nicht zurückzuholen waren.
    Er schloß demonstrativ die Augen, in der Hoffnung, daß dies vielleicht den Redeschwall des Fahrers verebben lassen würde.
    Nun, er hatte sein möglichstes getan. Er hatte Margo in Bogotá angerufen und ihr angeboten, den Flugpreis zu übernehmen, wenn sie zum Derby herkäme. Margo aber hatte abgelehnt, ihr Mann stecke zu tief in Arbeit und sie arbeite an der Botschaft und fühle sich außerdem nicht wohl und müsse zum Arzt. Dann versuchte er es noch einmal mit Jovialität. Wenn ein Mann es sich leisten konnte, ein Derbypferd zu kaufen, könne er auch tausend Dollar investieren, damit sich seine Frau entsprechend beim Derby amüsiere. Margo bedauerte. Und er auch.
    Dann war er in Gedanken bei Susan. In einer der letzten Nächte vor ihrer Abreise zum Derby hatte sie in Terre Haute im Schlaf plötzlich laut geschrien. »Ach, Terry, wirst du es nie lernen? Wann hörst du auf, solche Sachen zu machen?« Ihre Worte waren klar verständlich, als erlebe sie noch einmal eine Szene, die sie besser vergessen hätte. Liebe lag in ihrer Stimme: »Terry, wirst du denn nie erwachsen?«
    War er inzwischen erwachsen? Sie wußten es nicht. Es war unvorstellbar, aber wahr: Sie hatten keine Ahnung, wo ihr einziger Sohn steckte, irgendwo auf dem absteigenden Ast, im Gefängnis oder drogenbenebelt in einer Kommune. Der Junge war intelligent, aber die zu Schrott gefahrenen Autos, die Verletzungen, die Gerichtsverhandlungen, die Verbitterung, aber auch seine Sanftheit und gelegentliche Begeisterung, die Aufnahme ins College und sein Ausscheiden, die Schuldenberge, die jemand ja abtragen mußte, ließen ihn ausnippen. Wieso hatte der Junge nie gelernt, sich an das Leben anzupassen? Wessen Schuld war es? An welchem Punkt war es schiefgelaufen? Zu Zeiten fühlte er sich versucht, den Jungen abzuschreiben. Aber wie sollte man den eigenen Sohn abschreiben?
    »Holiday Inn, Mister.« Walter schreckte hoch. Er war unsagbar müde, und die Aufregung wirkte nicht mehr nach. »Das macht dreiundzwanzig siebzig, mit dem Warten.« Walter händigte dem Fahrer drei Zehndollarnoten und stieg aus. Fast hätte er sich wieder entschuldigt, eine dumme Angewohnheit.
    Er ging in das Foyer, das nun menschenleer dalag, dann in den Korridor und bog um die Ecke. Er hörte Stimmen, Lachen. Eine ausgedehnte Party? Aber als er sich mit dem Schlüssel seiner Tür näherte, blieb er verblüfft stehen.
    Perlendes Gelächter, aus seinem Zimmer! Und als er die Tür aufmachte und eintrat, stand da Susan zwischen den Betten in ihrem Morgenmantel, während Margo gerade aus dem Bad kam. Margo in einem Reisekostüm, locker und adrett wie immer.
    Sie eilte in seine Arme und küßte ihn ab und flüsterte: »Papa, der Grund, warum ich mich nicht wohl gefühlt habe … ich bin schwanger. Nach vier Jahren. Ist das nicht wunderbar, Papa?«
    Und Susan sagte, daß in der

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