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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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muß eben sehen, daß er obenauf kommt.‹
    Clay packten erneut Hass und Ekel. Er wußte, warum er weder zur Polizei noch zur Rennleitung gehen konnte. Nicht weil die Beweise zu dürftig waren, sondern weil sie sonst Starbright zum Krüppel machen oder umbringen würden. Das stand als Drohung im Hintergrund, und er wußte, daß er mit dem Rücken an der Wand kämpfte. Die einzige Chance – daß der Mann, der das Pferd bewachte, so gierig und korrupt war, wie man es von einem Menschen annehmen konnte, der einen solchen Job übernahm.
    Er bog wieder von der Straße ab, diesmal in das Wohngebiet, um die Rennbahn Churchill Downs herum. Der Nebel hatte sich verzogen. Er schaute über den Rasen, der im Tau blitzte. Ein Zeichen für gutes Wetter, das sich bis zum Abend halten würde. Andererseits kam die Sonne so stechend durch die Wolken, daß es am Nachmittag doch ein Gewitter geben könnte.
    In Wyatts Wohnung hatte er sich ganz kühl gegeben. Nachdem diese Janice Wessell im Schlafzimmer verschwunden war, hatte Wyatt mit erhobener Stimme gesagt: »Ist Ihnen klar, daß, wenn dies publik wird, es den größten Skandal der Turfgeschichte gibt?«
    Und ob ihm das klar war. Deshalb hatte er einen Finger auf den Mund gelegt und in die Umhängetasche der Klatschjournalistin gegriffen. Richtig, hinter der Zigarettenschachtel verborgen lag das eingeschaltete Tonbandgerät. Er hatte es abgeschaltet, unter dem verblüfften – aber keineswegs amüsierten – Blick von Wyatt Slingerland. Doch das war gleich, denn Wyatt hatte seiner Rolle in dem Spiel zugestimmt.
    »Gegen mein besseres Wissen, obgleich ich bei der Sache auf Ihrer Seite stehe, wobei ich nicht weiß, ob es das richtige ist. Wissen Sie es?«
    Im Korridor vor der Wohnung hatte er den Kopf geschüttelt und an seinem grauen Spitzbart herumgezwirbelt. »Sie verlangen von mir, daß ich die sensationellste Story meines Lebens zurückhalte, nun gut. Aber wenn bei Ihnen die Sache schief läuft, werde ich mich auch raushalten und von nichts wissen. Nicht daß ich glaube, Sie könnten mit dem Plan Erfolg haben.« Wahrscheinlich nicht, fast sicher nicht. Aber es war einen Versuch wert, und auf jeden Fall hatte er der neugierigen Journalistin eines ausgewischt.
    Im Bereich der Stallungen an der Gegengeraden war es relativ still. Alles wirkte normal. Die Morgenarbeit war vorbei. Es bewegten sich keine Pferde mehr auf der Bahn, und die Wache winkte ihn durch, ohne seinen Passierschein sehen zu wollen oder auf den Teilnehmerausweis an der Windschutzscheibe zu achten. Er parkte den Lieferwagen und ging in Richtung auf Stall 27. Die Atmosphäre der lässigen Betriebsamkeit hatte er sonst immer genossen. Aber heute nicht. Zuviel schwirrte ihm im Kopf herum, und er kämpfte mit zu vielen Unsicherheiten. Selbst sein Schritt kam ihm steifbeinig vor, und er merkte, wie verkrampft seine Muskeln waren.
    Plötzlich bemerkte er einen Tumult. Pferdepfleger und Stallburschen und ein uniformierter Wächter rannten wie die Wilden, und aus der aufgerissenen Tür der Sicherheitsbaracke stürzten zwei Männer. Was war los? Dann merkte er, daß alle in die Richtung von Stall 27 stürmten.
    Auch er begann zu rennen, schneller als die anderen. Er hörte Stimmen und einen markerschütternden Schmerzensschrei, der nicht von einem Pferd stammte. Die Tiere in der Stallung stampften und wieherten unruhig und ängstlich, und dann sah Clay den Auflauf bei Hotspurs Box.
    Sofort war er da und schob die Menschen auseinander.
    Die Boxentür stand offen.
    Das Geräusch kam von innen.
    Er hörte ein bösartiges Knurren.
    Wieder gellte ein schier unmenschlicher Schmerzensschrei.
    Ein Wächter stand mit gezogener Pistole da, die er beidhändig in Anschlag gebracht hatte, um sein Ziel besser anzuvisieren.
    Sogleich war Clay bei ihm, schlug dem Mann die Arme nach oben, so daß der Schuß in die Decke ging. Es roch nach Pulver.
    Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde, ehe er in die Box zu schauen wagte. Hotspur hatte sich in die äußerste Ecke gedrückt mit erhobenem Kopf und angstvoll bebenden Nüstern. Im Stroh wälzte sich ein Mann, in dessen Schulter sich ein riesiger Hund verbissen hatte.
    Bernie.
    Sein Mund war aufgerissen, das Gesicht vor Schmerz verzerrt, Blut tränkte sein Hemd, und er brüllte, während er sich vehement wehrte, doch der Dobermann ließ nicht locker, sondern vergrub seine Zähne noch tiefer in das Fleisch.
    Clay dachte nicht lange nach, dafür war keine Zeit. Hinter ihm schrie ein Mädchen

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