Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
Spurensicherung. Ich will wissen, ob ein identischer Kleber benutzt wurde.«
»Geht klar!«
»Rolf, du setzt dich noch mal mit dem Verlag in Verbindung.« Rolf Kramer konnte nur mühsam ein Gähnen unterdrücken. »Entschuldige, aber der Kleine wollte heute Nacht einfach keine Ruhe geben. Laura ist auch völlig fertig. Wenn wir beide nicht bald mal wieder eine Nacht durchschlafen können, garantiere ich für nichts.«
Falko versetzte die Bemerkung einen Stich. Nur weil Heike und er keine Kinder bekamen, hatte er nicht das Recht, neidisch auf andere zu reagieren. »Das wird schon werden.« Falko klopfte Rolf freundschaftlich auf die Schulter. »Wir brauchen dann auf jeden Fall noch eine Liste aller Personen, die schon vor Erscheinen des Buches am Manuskript gearbeitet haben oder auch nur die Möglichkeit hatten, einen Blick reinzuwerfen.«
»In Ordnung.«
»Ich war vorhin noch mal am Tatort. So, wie die Manuskriptseiten auf dem Boden verteilt waren, sah es aus, als wären sie in kleineren Stapeln dort hingeworfen worden. Ich bin mir inzwischen sicher, dass sie jemand gelesen hat.«
»Das würde gegen die Verlagsangestellten sprechen. Die kannten den Inhalt«, sagte Timo.
»Das sehe ich auch so.« Cornelsen nahm nochmals den neuen Vorgang zur Hand. »Wann wurde die Düsseldorfer Leiche gefunden?«
»Gefunden vor etwas über einem Monat, aber der Todeszeitpunkt liegt bereits ein halbes Jahr zurück.« Timo schlug die passende Seite auf und deutete mit dem Finger auf die Stelle im Autopsiebericht. »Hier. Siehst du. Ihr Name war Natascha Wending. Sie arbeitete beim sozialpsychiatrischen Dienst als Gutachterin. Vor einem Jahr wurde sie als vermisst gemeldet. Sie wurde nicht sofort getötet, sondern vermutlich irgendwo gefangen gehalten.«
»Sozialpsychiatrischer Dienst? In den Büchern der Ganter geht es doch auch immer um Menschen, die im Pflegebereich arbeiten. Nur, dass diese Leiche hier real ist.«
»Aber sozialpsychiatrischer Dienst ist nicht so richtig da anzusiedeln«, erklärte Breitenbach. »Ich glaube, die haben nicht direkt etwas mit Pflege zu tun. Die kontrollieren eher, ob der Betroffene einen Vormund braucht. So was in der Richtung.«
»Aber überlegt doch mal«, forderte Cornelsen. »In ihrem ersten Buch bringt Rebecca Ganter Pfleger um. Im zweiten Buch sind es dann Krankenschwestern. Und nun wird sie auf die gleiche Weise umgebracht, wie eine Frau, die für den sozialpsychiatrischen Dienst gearbeitet hat. Das sieht doch nach einem Muster aus.« Er atmete laut aus. »Sarah. Du schwingst dich jetzt ans Telefon und besprichst mit den Düsseldorfer Kollegen, ob sie irgendeinen noch so vagen Hinweis auf den Täter haben oder ob es jemanden gibt, den sie unter die Lupe genommen haben. Und danach machst du dich an die Vermisstenmeldungen. Such nach Frauen, die für den sozialpsychiatrischen Dienst gearbeitet haben und nun vermisst werden. Und lass die Anfrage bundeslandübergreifend durch den Computer laufen.«
»Geht klar, Chef.«
»Gibt’s noch Fragen?« Er sah jeden Einzelnen an. »Gut. Dann los. Jede noch so kleine Kleinigkeit zählt.«
»Was glaubst du, mit was für einem Typen wir es hier zu tun haben?« Rolf sah Falko eindringlich an.
»Willst du meine Meinung als Kommissar oder als Profiler hören?«
»Deine Meinung als Mensch.«
Cornelsen hob die Augenbrauen. »Mit einem, der mir ’ne echte Gänsehaut bereitet.«
6
Montag, 5 . August, 11 . 30 Uhr
Sie hatte seine Verzweiflung gespürt, seine Ohnmacht gegenüber seinem eigenen Tun. Fast hätte er ihr leidgetan, hätte sie nicht gewusst, wozu er fähig war. Sie hatte ihn immer besser kennengelernt, in den zwei Wochen, die sie hier schon gefangen gehalten wurde. Er kam ihr vor wie ein Kind in einem zu schnell gewachsenen Körper. Sein Denken war unreif und gleichzeitig von einer schier unfassbaren Kälte. Eine Zeitlang hatte Kerstin nur dagesessen, bemüht, die Augen nie zu lange auf ihm ruhen zu lassen, aber doch so, dass er spürte, wie aufmerksam sie ihm zuhörte.
Er hatte ihr von ihrem Sohn berichtet, der böse und schlecht wäre, eine Missgeburt, wie er ihn bezeichnete. Ein Kind, das der Liebe seiner Mutter nicht würdig wäre und niemals sein würde. Er hatte ihr erzählt, dass es falsch von ihrem Sohn wäre, diese Lügen zu verbreiten. Lügen über den Mann, mit dem sie lebte. Ein paarmal war sie davor gewesen, ihm zu erklären, dass es nicht ihr Sohn war, über den er sprach. Doch instinktiv hatte sie geschwiegen. In den
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