Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
daraufhin völlig aus, bekommt es mit der Angst zu tun, schreit ihn an, dass das nicht ihre Schuld sei. Der Typ sieht das Manuskript auf ihrem Schreibtisch liegen, erkennt, dass es der aktuelle Text ist, und hält ihr genau die Stelle hin, in der sie die Mordmethode beschreibt.«
»Du meinst, als eine Art Rechtfertigung für seine Tat?«, fragte Timo.
»Ja, so nach dem Motto: Aber du hast mir doch vorgeschlagen, dass ich so töten soll. Hier steht es doch«, erklärte Sarah.
»Doch was macht er jetzt?«, fragte Falko, und es klang, als richtete er die Frage an sich selbst.
»Was glaubst du?«, hakte Timo nach, während Sarah ihren Chef von der Seite musterte.
Falko blinkte, musste abbiegen. Noch während er das Lenkrad einschlug, antwortete er: »Er hat die Frau getötet, die ihm die Vorlagen für seine Morde geliefert hat. Die Frage ist: Warum?«
»Vielleicht, weil er mit dem Morden aufhören will?« Sarah kaute auf ihrer Unterlippe.
»Als eine Art Hilferuf, meinst du?«, fragte Timo.
»Oder andersrum: Die Ganter ist ihm draufgekommen.« Sarah zuckte mit den Schultern.
»Dafür hätte sie aber was von den Mordfällen erfahren müssen«, widersprach Cornelsen. »Ging das durch die Presse?«
»Möglich«, antwortete Timo.
»Sie könnte auch einen Hinweis von einem Leser erhalten haben.« Sarah tippte gegen ihre Lippe. »Wir müssen unbedingt ihren Laptop finden. Vielleicht hat ihr ja jemand geschrieben, dass sich in Düsseldorf genau solche Morde ereignet hätten.«
»Womöglich sogar der Mörder selbst.« Cornelsen massierte sich seinen schmerzenden Nacken. Langsam schlich sich die der durchwachten Nacht geschuldete Müdigkeit ein.
»So nach dem Motto: Guck mal, Rebecca, ich bring die Leute so um, wie du’s vorgeschlagen hast?«, ergänzte Timo. »Und als sie das nicht so klasse fand und ihm klargemacht hat, dass sie damit nichts zu tun haben will, hat er sie ausfindig gemacht und ihr einen Besuch abgestattet, den sie nicht überlebt hat?«
»Möglich«, meinte Cornelsen. »Ich glaube, wir sollten die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Düsseldorf intensivieren. Die Krankenschwester wurde dort gefunden, jetzt die Gutachterin. Ich glaube, unser Mörder hat dort sein Umfeld.«
»Sekunde mal eben, es hat geklopft«, bat Timo. Nach einem Augenblick meldete er sich zurück. »Falko, möglicherweise ist die Uhr von Rebecca Ganter bei einem der fliegenden Händler am Bahnhof aufgetaucht. Er sagt, sie wurde ihm von einem Junkie für zwanzig Euro verkauft.«
»Zwanzig Euro«, rief Falko aus. »Wenn das die Uhr der Ganter ist, dann ist die doch mindestens das Zweihundertfache wert.«
»Wahrscheinlich wusste der Kerl, der sie verkauft hat, überhaupt nicht, was er da hat.«
»Mit Sicherheit nicht«, bekräftigte Falko. »Wo ist der Mann jetzt?«
»Noch am Bahnhof. Ein Kollege ist bei ihm. Soll er ihn aufs Revier bringen?«
»Nein. Der Kollege soll bei ihm bleiben, bis wir kommen. Ich fahre mit Sarah direkt dorthin. Sag ihm, er soll bei dem Kupferstich auf uns warten.«
»In Ordnung. Bis später.« Timo Breitenbach legte auf.
»Ich muss was essen«, sagte Sarah. »Mein Magen knurrt schon wie verrückt.«
Cornelsen sah kurz zu ihr und schmunzelte. »Ich frag mich manchmal wirklich, wie in eine so kleine und schmale Person so viel Essen hineingeht.«
»Ich bin eben hyperaktiv und immer am Ball. Das frisst Kalorien.«
»Na hoffentlich. Sonst siehst du nämlich in ein paar Jahren aus wie eine Matrone.«
Sarah lachte auf. »Ha! Das würde ich dir doch nicht antun.«
Falko lächelte, doch er ging besser nicht auf die Bemerkung ein. Er wollte keine Situation entstehen lassen, die zweideutig hätte ausgelegt werden können.
Den Rest der Fahrt schwiegen sie, und Falko war froh, als sie das Bahnhofsgelände erreichten und er seinen Wagen abstellen konnte.
Der Kollege erwartete sie gemeinsam mit dem Zeugen am vereinbarten Treffpunkt, einer Stadtansicht Lüneburgs, die nach einem Kupferstich gemalt worden war. Falko kannte den Polizisten vom Sehen und überlegte fieberhaft dessen Namen. Gerade als Sarah und er die letzten Schritte auf ihn zugingen, fiel ihm sein Name wieder ein.
»Kollege Funken, guten Tag.« Sie gaben sich die Hand und Falko wandte sich an den Zeugen, den er gleich erkannte. Sven Reinert war Porträtmaler, Ende zwanzig und derjenige, der seine Augen und Ohren überall hatte und genau wusste, was am Bahnhof vor sich ging. Schon des Öfteren hatte er als Informant wichtige Details an die
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