Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
treiben. »Ja, wir haben alle viel zu tun. Dann vielen Dank.« Er legte auf.
Cornelsen rief seine Leute im Besprechungszimmer zusammen. Er hatte noch schnell alles über Rafael Langer ausgedruckt, was er im System finden konnte. Er wusste, dass einige seiner Kollegen es albern und vor allem überholt fanden, im Zeitalter von Laptop und Tablet Unterlagen auszudrucken. Doch Falko musste ein Blatt in der Hand halten, das ihm die nötigen Informationen lieferte. Ganz abgesehen von seiner ganz eigenen Methode, die Tatorte anhand von Modellen nachzubauen. Er hatte erst vor einigen Jahren damit begonnen. Nach dem Tod seines Vaters und seiner Schwester hatte ihm sein Großvater in jener schlimmen Zeit ein Modellflugzeug zum Selberbauen geschenkt. Von da an hatte er sich nach der Schule immer gleich in sein Zimmer zurückgezogen und Schiffs- oder Flugzeugmodelle zusammengebaut. Diese feinfühlige Arbeit mit den Händen hatte ihn zunächst abgelenkt und dann zunehmend beruhigt. Als er mit Heike in ihre erste gemeinsame Wohnung zog, war ihm aus einer der Kisten ein altes Flugzeugmodell entgegengefallen, und er hatte sich wieder an diese Kindheitsphase erinnert, und sich ein Beispiel daran genommen, weil er in einem schwierigen Mordfall nicht weitergekommen war. Seither hatte er es sich angewöhnt, Tatorte anhand von Miniaturbauten nachzustellen und die Situation wieder und wieder durchzuspielen. Manch einer hätte ihn für verrückt erklärt, wenn er gewusst hätte, womit er sich in seinem Keller so beschäftigte. Doch ihm half es beim Denken, die wesentlichen Merkmale eines Tatortes in einem Miniaturraum zu drapieren und dadurch den Fall im wahrsten Sinne des Wortes aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Nicht einmal seine engsten Kollegen hatte er eingeweiht. Zwar wusste Sarah, dass er stets zusätzliche Tatortfotos benötigte. Aber wofür, danach hatte sie nie gefragt.
»Es geht voran«, verkündete Cornelsen, als alle versammelt waren und hielt das Foto des Verdächtigen hoch.
»Rafael Langer, achtundzwanzig Jahre alt, vorbestraft wegen diverser Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Sein Fingerabdruck befand sich auf der Uhr des Opfers.«
»Vom Drogi zum folternden Mörder? Ungewöhnliche Karriere«, meinte Timo und betrachtete das Foto.
Auch Rolf Kramer wirkte skeptisch. »Und wenn er ihr die Uhr nur geklaut hat? Ich meine, Diebstahl bei Drogenabhängigen ist ja Standard. Aber derartig grausame Morde?«
»Kann ich die Akte mal sehen?«, bat Sarah.
Cornelsen reichte ihr die Unterlagen.
»So wie es aussieht, war unser Verdächtiger bis vor knapp zwei Jahren total unauffällig. Er hat sogar Jura studiert und war kurz vor dem zweiten Staatsexamen, als sie ihn das erste Mal mit Drogen erwischt haben«, fasste Sarah zusammen.
»Was war das?«
»Heroin.«
»Das wird nicht der Einstieg gewesen sein«, urteilte Cornelsen.
»Du sagst, er war vorher unauffällig?« Rolf Kramer sah seine Kollegin fragend an.
»Aber warum flippt einer plötzlich so aus?« Cornelsen rieb sich den Nacken. »Irgendeinen Auslöser muss es doch gegeben haben.«
»Vielleicht verrät er’s uns, wenn wir ihn erst mal im Verhörraum haben«, meinte Timo.
»Dazu wird’s wohl nicht kommen«, erwiderte Sarah, deutete auf die Akte und reichte sie schließlich an Cornelsen zurück. »Er wohnt in Düsseldorf, da sind die Kollegen vor Ort zuständig.«
»Düsseldorf? Das passt ja zu den Morden an der Krankenschwester und an der Gutachterin. Und der Zeitpunkt müsste auch grob hinkommen, wenn er bis vor zwei Jahren unauffällig war, wie du sagst.« Rolf Kramer lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Es scheint, dass dieser Rafael Langer eine Menge zu erklären hat. Ich habe die Kollegen vor Ort bereits informiert. Die müssten in diesen Momenten schon in der Wohnung des Verdächtigen sein.« Cornelsen war zufrieden, weil er glaubte, dass sie auf der richtigen Spur waren. Doch sein Bauchgefühl signalisierte ihm auch, dass sich vieles noch nicht fügte, und es ärgerte ihn ein wenig, den Düsseldorfer Kollegen das Feld überlassen zu müssen.
»Warum macht sich jemand die Mühe, aus Düsseldorf hierherzukommen, um die Frau umzubringen, die ihm die Vorlage für seine Morde liefert?«, hakte Timo nach.
»Ich fand Sarahs Gedanken dazu interessant«, antwortete sein Vorgesetzter. »Vielleicht wollte er selbst, dass es aufhört. Und wenn ihm die Ideen genommen werden, meinte er, auch mit dem Morden aufhören zu können.«
»Klingt
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