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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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niemand drucken und dann niemand lesen will. Schließlich wird er krank, Krebs, raus aus der Klinik, rein in die Klinik, Sie wissen schon. Vor ein paar Jahren ist er gestorben.«
    »Wovon hat er gelebt?«
    Breuer molk das Ohrläppchen. »Er hatte Vermögen, ziemlich viel sogar. Woran wir wieder einmal sehen, daß Geld allein nicht glücklich macht.«

21
Völlig klar
    Auf der Heimfahrt wurde der Zug umgeleitet, über Darmstadt und entlang der Bergstraße. Mir waren die vielen Steinbrüche am Rand der Ebene noch nie aufgefallen. Als sei der Odenwald eine rote Süßspeise, über und über mit Waldmeistersauce bedeckt, und der liebe Gott hat mit einem Löffel davon genascht.
    In Bonn hatte ich noch mal 41 17 88 angerufen und es lange vergebens klingeln lassen. Der Anrufbeantworter war stumm geblieben. Kaum war ich in meinem Büro, klingelte das Telephon.
    »Selb.«
    »Salger. Guten Tag, Herr Selb. Haben Sie mich in den letzten Tagen zu erreichen versucht?«
    Also hatte auch er gemerkt, daß sein Anrufbeantworter nicht reagierte. Hatte einer seiner Freunde das Gerät versehentlich abgestellt?
    »Gut, daß ich Sie am Apparat habe, Herr Salger. Ich habe Ihnen allerhand zu berichten, möchte das aber nicht am Telephon tun, sondern persönlich. Ich will gerne zu Ihnen nach Bonn kommen, aber vielleicht kommen auch Sie dieser Tage durch Mannheim. Sie sind wieder in Bonn, nicht wahr? Ihr Anrufbeantworter …«
    »… muß kaputt sein, oder unsere Reinemachfrau hat ihn versehentlich abgestellt. Nein, wir sind noch nicht wieder in Bonn, und da ich mich zu einem baldigen Treffen außerstande sehe, so sehr es mir am Herzen läge, muß ich Sie doch um telephonischen Bescheid bitten. Sie haben Leonore gefunden?«
    »Ich möchte darüber, wo und wie Leonore lebt, wirklich nicht telephonisch …«
    »Herr Selb, Sie haben einen Auftrag, der die Pflicht zum Bericht einschließt, und wie Sie den Auftrag von mir aus der Ferne telephonisch übernommen haben, werden Sie auch den Bericht telephonisch an mich in die Ferne durchgeben. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Völlig klar, Herr Salger, völlig klar. Trotzdem bekommen Sie den Bericht nicht telephonisch, sondern nur persönlich. Im übrigen habe ich Ihren Auftrag nicht telephonisch, sondern brieflich bekommen. Und was die Ferne angeht – Sie können den Bericht in die Ferne bekommen, aber von mir persönlich.«
    Wir feilschten weiter. Er hatte keinen Grund, das Treffen zu verweigern, und ich keinen, es zu verlangen. Er redete davon, wie angeschlagen seine Frau nervlich sei, daß sie ihn ständig um sich haben müsse, ihn und nur ihn. »Sie verträgt die Gegenwart von Fremden nicht.«
    Ich klemmte den Hörer zwischen Kinn und Schulter, holte die Flasche aus dem Fach, schenkte mir ein, zündete eine Sweet Afton an und legte Salger dar, daß ich erstens meine Berichte immer persönlich oder schriftlich mache und zweitens meine Auftraggeber immer kenne. »Ich habe das nie anders gehalten.«
    Er nahm einen neuen Anlauf. »Und wenn Sie mir einen schriftlichen Bericht machen? Ich will mit meiner Frau in den nächsten Tagen in Zürich zum Arzt, und Ihr Bericht kann uns dort im Baur au Lac erwarten.«
    Es war ein langer Tag gewesen. Ich war müde und war die absurde Konversation leid. Ich war den Fall Salger leid. Auf der Heimfahrt hatte ich mir eingestehen müssen, daß er von Anfang an gestunken hatte. Warum hatte ich ihn überhaupt übernommen? Wegen des vielen Geldes? Wegen Leo? Als müsse ich den Fall, den ich gegen meine professionellen Standards übernommen hatte, nun auch unprofessionell abschließen, hörte ich mich sagen: »Ich kann meinen Bericht auch nach Bonn in die Niebuhrstraße 46 a schicken, c/o Helmut Lehmann.«
    Einen Moment war es still in der Leitung. Dann knallte Salger den Hörer auf die Gabel. An mein Ohr klang das heisere Tacktacktack, mit dem die Schallwellen auf der Stelle treten, wenn sie nichts zu transportieren haben.

22
Schmerz, Ironie oder saurer Magen
    Zwei Tage lang geschah nichts. Salger rief mich nicht an und ich ihn nicht. Ich kümmerte mich auch sonst nicht um den Fall. Für Salgers zehntausend Mark, die ich zunächst im Schreibtisch verschlossen hatte, richtete ich auf der Badischen Beamtenbank ein Sonderkonto ein. Die Zinsen, die das Geld getragen hätte, wenn ich es gleich auf die Bank gebracht hätte, zahlte ich drauf.
    Einmal, als ich nachmittags im Büro war und meine Zimmerpalme umtopfte, bekam ich Besuch.
    »Sie wissen nicht, wer ich bin? Sie

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