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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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Revierförsterei an der Straße nach Hemsbach eine halbe Million hingelegt.« Er lachte und schlug sich auf die Schenkel. »Eine halbe Million!«
    »Und mit der Karte wußten Sie, was zu kaufen lohnte und wovon man besser die Finger ließ.«
    »Nein, an das eigentliche Gelände war nicht dranzukommen, da saßen und sitzen die Amerikaner. Aber wenn sie gegangen wären und wenn sie, als sie da waren, nicht schon selbst aufgeräumt haben, und wenn die Stadt gebaut worden wäre – dann wäre die Karte Gold wert gewesen. Wenn, wenn, wenn – ein sicherer Gewinner war sie nie.«
    »Wo haben Sie die Karte her?«
    »Ich habe sie gekauft.«
    Ich sah ihn fragend an.
    »Natürlich nicht in der Buchhandlung. Ein junger Mann hat sie im Nachlaß seines Vaters gefunden und war gescheit genug, ihren Wert fürs Immobiliengeschäft zu erkennen. Ich habe ganz schön was berappen müssen.«
    Ich zeigte ihm den jugendlichen Lemke auf einem Photo aus Leos Album. Er sah es an und nickte. Ich glaubte nicht, daß Lemke die Karte aus dem Nachlaß seines Vaters hatte. Leo hatte vom Praktikum erzählt, das Lemke bei ihrem Vater im Verteidigungsministerium absolviert hatte – damals muß er auf die Karte gestoßen sein und sie gestohlen haben. Dann hatte er sie dem alten Wendt verkauft, um sie vom jungen Wendt wieder beschaffen zu lassen. Vermutlich wollte er beim nächsten Immobilienmagnaten das gleiche Geschäft noch mal machen, für die Kasse des KBW oder auch für den eigenen Beutel.
    »Herr Wendt, haben Sie Ihrem Sohn gesagt, wie Sie an die Karte gekommen sind?«
    »Werd ich wohl.«
    »Das hat geholfen, nicht Ihre Schläge. Lemke, der Ihnen die Karte verkauft hat, hat Ihren Sohn dazu gebracht, sie Ihnen wieder wegzunehmen. Er wird ihm nicht gesagt haben, daß er Ihnen die Karte verkauft hat, wird überhaupt nicht von Geld geredet haben, sondern von hohen politischen Zielen. Er war das politische Idol Ihres Sohnes, Ihr Sohn hat an ihn geglaubt – bis er gemerkt hat, daß Lemke ihm nur was vorgemacht und ihn benutzt hat.«
    »Hat er …?«
    »Nein, er hat Ihren Sohn nicht umgebracht.«
    Er nahm die beiden Hälften des zerbrochenen Bleistifts und versuchte, sie zusammenzusetzen.
    »Kann ich die Karte haben?«
    »Hilft sie Ihnen bei der Arbeit?«
    »Ich glaube schon.«
    Er schwieg und musterte mich. Das Gespräch hatte ihn erschöpft. Ohne mich zu fragen, nahm er mein Telephon, rief seinen Chauffeur an und hieß ihn vorfahren. Er stand auf, stützte sich auf den Schreibtisch, fand die Balance, trat ans Fenster und wartete, bis der Wagen vorfuhr. Unter der Tür sagte er über die Schulter: »Sie hören von mir.«

28
Rot markiert
    Wendts Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Als ich mit Brigitte telephoniert hatte, kam der Anruf von Frau Büchler. Sie schicke gerade einen Boten zu mir. Herr Wendt wüßte den Inhalt der Sendung gerne vernünftig verwendet; wiederhaben wolle er ihn nicht. Nach dem Abschluß der Ermittlungen erwarte er einen ausführlichen schriftlichen Bericht. »Der Bericht geht an mich, und an mich geht auch die Rechnung. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Herr Selb.«
    Ich wartete auf den Boten und schaute aus dem Fenster. Auf der Augustaanlage sind selten Fußgänger unterwegs. Es gibt ringsum einige Schulen, aber die Kinder nehmen den Schulweg über die Nebenstraßen. Es gibt auch einige Büros, große und kleine, aber die, die dort arbeiten, fahren Auto. Ich schaute der Politesse bei der Arbeit zu. Dann blieb das Fenster lange leer, bis zwei dunkle Herren in hellen Anzügen in den Blick kamen, stehenblieben, aufeinander einredeten und weitergingen, der eine verärgert voraus, der andere besorgt hinterher. Eine junge Frau schob einen Kinderwagen durchs Bild. Ein kleiner Junge mit Schulranzen rannte vorbei. Ich zündete mir eine Zigarette an.
    Der Bote kam mit dem Motorrad. Er stellte die Maschine nicht aus, während er mir auf den Stufen, die zur Tür führen, einen großen gelben Umschlag übergab und sich den Empfang bestätigen ließ. Ehe er davondonnerte, legte er den Zeigefinger grüßend an den Helm.
    Ich mußte den Schreibtisch leerräumen, um die Karte auszubreiten. Sie sah völlig belanglos aus. Kleine grüne Einsen und Zweien für Nadel- und Laubwald, westlich vom blauen Baumholzgraben ein paar braune Höhenlinien und das ganze Gelände von grauen Schneisen in Rechtecke geschnitten, die mit Zahlen zwischen zehn und vierzig numeriert waren. An elf Stellen waren neben den Schneisen streichholzschmale, etwa zwei

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