Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand (German Edition)
Schöpfungsbewahrer wie Herbert Gruhl und erprobte K-Grüppler wie Jürgen Trittin bis hin zu entschlossenen Ich-AGs wie Joschka Fischer und erratischen Figuren wie Petra Kelly war – sich in der Tat nur in dem einen Nenner zusammenfand, dass es mit der Zerstörung der Naturressourcen so nicht weitergehen könne. Dafür war, wie gesagt, der Boden in den frühindustrialisierten Gesellschaften bereitet. Wie diese Zerstörung freilich zu stoppen wäre, das war gerade vor dem Hintergrund der Heterogenität des Personals der nunmehr grünen Bewegung nicht konsensfähig. Folgerichtig spaltete sich die Fraktion der »Fundis«, der Systemzweifler und -kritikerinnen, von jener der »Realos« ab, die bis heute die Führungselite der grünen Partei stellen. Sie sind mit den Spielregeln des politischen Betriebssystems gründlich vertraute Professionals der Parteipolitik geworden, denen an Systemveränderung weniger liegt als Spätradikalen wie dem ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der in einem Interview als sein größtes Versagen nannte, dass es ihm nicht gelungen sei, den Kapitalismus abzuschaffen. Das ist die grüne Sache nicht: Sie möchte vielmehr, und da schreibt sie sich in die Geschichte der ökologischen Bewegung bruchlos ein, die Auswüchse rücksichtslosen Umgangs mit der Natur beschneiden – und demgemäß ist sie die reformerische Partei in Deutschland schlechthin geworden.
Das war folgerichtig, entwickelte doch die Ökobewegung im Mainstream nie ein politisches Programm über die Negation von zu viel Zerstörung hinaus; die »Fundis« gingen dann den Weg in die Praxis, gründeten Ökodörfer, wurden Kabarettisten oder Esoteriker, je nachdem. Die Realo-Partei aber wurde für eine Weile zum zentralen Innovationstreiber einer Gesellschaft, die weiter so funktionieren wollte, wie sie war; es durfte bei allem nur »grüner« und »nachhaltiger« sein. Tatsächlich zeichnet die Absenz einer politischen Vorstellung darüber, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die nicht dem Prinzip des Wirtschaftswachstums und der grenzenlosen Steigerungslogik folgt, die Ökobewegung heute mehr denn je aus. Indikatoren dafür waren und sind:
die Konzentration auf die Folgen und nicht auf die systemischen Ursachen der fortschreitenden Umweltzerstörung,
damit eine systematische Vernachlässigung der Gründe für den fortschreitenden Extraktivismus,
ein Mangel an Reflexivität. Man fühlt sich gut in dem Bewusstsein, Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein,
die Geschichts- und Theorielosigkeit der Bewegung,
eine immer stärker werdende Technikorientierung und schließlich
eine fehlende Anerkennung lebensweltlicher Daseinsbewältigung bei immer stärkerer Favorisierung expertokratischer Strategien.
Die Ökologiebewegung war nie utopisch. Dieser Satz mag verwundern, ist diese Bewegung doch von der Vorstellung durchdrungen, dass eine bessere, reinere, nachhaltigere Welt möglich sei. Wenn man aber ihre Geschichte betrachtet, so zieht sich von der Romantik bis heute als bestimmendes Thema die Furcht vor dem Verlust durch – von Natur, Landschaft, gesunder Luft, Stille etc. Es geht weniger positiv um die Frage, wie die Gesellschaft sein solle und zu denken wäre, sondern negativ und immer präsentistisch darum, wie sie gerade nicht sein sollte. Demgemäß richteten sich die Anstrengungen primär gegen die Auswüchse von Produktion und Entsorgung, nicht auf die Wirtschaftsformen und Produktionsverhältnisse, noch weniger auf Gegenentwürfe nachhaltiger Wirtschafts- und Gesellschaftsformen. Diesem antiutopischen Zug der Ökobewegung, der durch den kompletten Abschied von den Utopien seit 1989 noch einen zusätzlichen Schub erfahren hat, und ihrer pragmatischen Orientierung sind zweifellos eine Menge politischer Erfolge und Fortschritte in Sachen Umwelt- und Verbraucherschutz zu verdanken. Und ohne die Transformation einer bunten und heterogenen Bewegung in eine professionelle Politikerpartei, die sich von anderen Parteien stilistisch gerade noch durch die den Vornamen vorangestellten Artikel (»der Cem«, »die Claudia«) unterscheidet, wäre die Bundesrepublik heute gewiss weniger modern, liberal und ökologisch. Allerdings verlor die Partei gerade durch ihren Erfolg an Profil: Die grünen Themen sind so mehrheitsfähig geworden, dass kein Parteiprogramm, kein Unternehmensleitbild, keine Autowerbung mehr ohne die Begriffe Nachhaltigkeit, Verantwortung, Klimaschutz auskommt. Aber so funktioniert eben auch
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